Erich Spießbach: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Erich Spießbach''' (* [[30. November]] [[1901]] in Gotha; † [[12. Oktober]] [[1956]] in Münster) war ein Zeichner, Essayist, archäologischer Grabungshelfer und Künstler. Er lebte viele Jahre in psychiatrischen Anstalten u.a. in der Westfälischen Provinzial- und Pflegeanstalt Marienthal. Er liegt auf dem [[Waldfriedhof Lauheide]] begraben.
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'''Erich Spießbach''' (* [[30. November]] [[1901]] in Gotha; † [[12. Oktober]] [[1956]] in Münster) war ein Zeichner, Essayist, archäologischer Grabungshelfer und Künstler. Er lebte später viele Jahre in psychiatrischen Anstalten u.a. in der Westfälischen Provinzial- und Pflegeanstalt Marienthal. Er liegt auf dem [[Waldfriedhof Lauheide]] begraben.
  
 
==Leben==
 
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Erich Spießbach wurde als fünfter Sohn des Glasermeisters Heinrich ''Spießbauch'' und seiner Frau Johanna Berger im thüringischen Gotha geboren; der Familienname wurde wahrscheinlich in den frühen 1920er Jahren nach dem Tod des Vaters geändert. Erich Spießbach besuchte von 1906–1916 die Volksschule in Gotha. Danach machte er eine Lehre als Zeichner bei der  [http://de.wikipedia.org/wiki/Gothaer_Waggonfabrik Gothaer Waggonfabrik] und arbeitete dort später als technischer Zeichner, bis er 1923 die Firma auf eigenen Wunsch verließ. Schon längst – wahrscheinlich durch das Vorbild seines Bruders beeinflusst – wollte er eine künstlerische Laufbahn einschlagen. Von 1923 bis 1925 besuchte er die Kunstgewerbeschulen in Flensburg und Erfurt. In den Jahren 1924 und 1925 verdiente er seinen Lebensunterhalt als Holzbildhauer im Atelier von Gustav Heinze in Gotha. Von 1925 bis 1928 arbeitete im ehemaligen Heimatmuseum in Gotha als Restaurator und wechselte 1928 an das Westfälische Landesmuseum für Vor- und Frühgeschichte in Münster. Dort bekleidete er eine Hilfstätigkeit, die sein Talent zum Vorschein brachte.
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Erich Spießbach wurde als fünfter Sohn des Glasermeisters Heinrich ''Spießbauch'' und seiner Frau Johanna Berger im thüringischen Gotha geboren; der Familienname wurde wahrscheinlich in den frühen 1920er Jahren nach dem Tod des Vaters geändert. Erich Spießbach besuchte von 1906–1916 die Volksschule in Gotha. Danach machte er eine Lehre als Zeichner bei der  [http://de.wikipedia.org/wiki/Gothaer_Waggonfabrik Gothaer Waggonfabrik] und arbeitete dort später als technischer Zeichner, bis er 1923 die Firma auf eigenen Wunsch verließ. Schon längst – wahrscheinlich durch das Vorbild seines Bruders beeinflusst – wollte er eine künstlerische Laufbahn einschlagen. Von 1923 bis 1925 besuchte er die Kunstgewerbeschulen in Flensburg und Erfurt. In den Jahren 1924 und 1925 verdiente er seinen Lebensunterhalt als Holzbildhauer im Atelier von Gustav Heinze in Gotha. Von 1925 bis 1928 arbeitete er im ehemaligen Heimatmuseum in Gotha.
  
Im Jahr 1928 wechselte Spießbach Mitarbeiter am Landesmuseum für die Provinz Westfalen ([http://www.lwl.org/LWL/Kultur/WMfA_Zentrale/Geschichte/index2_html Landesmuseum für Vor- und Frühgeschichte]). In dieser Zeit zeigten sich erste Symptome seiner psychischen Erkrankung. Er begann mit Hilfstätigkeiten, allerdings erkannte man schon bald sein besonderes zeichnerisches Talent; er wurde Grabungsleiter und mit der Anfertigung von Dokumentationen betraut. Mit seinem Vorgesetzten [http://de.wikipedia.org/wiki/August_Stieren August Stieren] (1885–1970) geriet er schon bald in Konflikt. Typisch für Spießbachs weiteres Leben waren Reibereien und massive Konflikte mit Vorgesetzten und Autoritäten, die in ausufernde gerichtliche Prozesse mündeten. In Münster, wo Spießbach als Grabungshelfer, Zeichner und sehr geschickter Präparator von Fundstücken arbeitete, will er nicht nur geschätzter „Helfer“ sein. Er sah  sich als verkannten „Wissenschaftler“, und verstrickte sich in der Zeit des Nationalsozialismus nun auch in ideologische Auseinandersetzungen über die Deutung germanischer Funde. Spießbachs hartnäckige Prozesse führten zu psychiatrischen Gutachten – darin wird er als „querulierender Paranoiker“ bezeichnet. Er wurde in die [[Provinzial-Heilanstalt Münster-Marienthal]] eingewiesen, die bei Bombenangriffen im Jahre 1944 weitgehend zerstört wurde. Spießbach wurde schon zuvor in die Anstalt in Marsberg (Sauerland) evakuiert, erkrankte an Tuberkulose und zog sich zunehmend in seine eigene Gedankenwelt zurück.
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Im Jahr 1928 wechselte Spießbach Mitarbeiter am Landesmuseum für die Provinz Westfalen ([http://www.lwl.org/LWL/Kultur/WMfA_Zentrale/Geschichte/index2_html Landesmuseum für Vor- und Frühgeschichte]). Er begann mit Hilfstätigkeiten, allerdings erkannte man schon bald sein besonderes zeichnerisches und präparatorisches Talent; er wurde Grabungsleiter und mit der Anfertigung von Dokumentationen betraut. Allerdings  zeigten sich zu dieser Zeit auch erste Symptome seiner psychischen Erkrankung. Mit seinem Vorgesetzten [[August Stieren]] (1885–1970) geriet er schon bald in Konflikt. Typisch für Spießbachs weiteres Leben waren Reibereien und massive Konflikte mit Vorgesetzten und Autoritäten, die in ausgedehnte gerichtliche Prozesse mündeten. In Münster, wo Spießbach als Grabungshelfer, Zeichner und sehr geschickter Präparator von Fundstücken arbeitete, wollte er nicht mehr nur geschätzter „Helfer“ sein. Er sah  sich als verkannter „Wissenschaftler“, und verstrickte sich in der Zeit des Nationalsozialismus zusätzlich in ideologische Auseinandersetzungen über die Deutung germanischer Funde. Spießbachs hartnäckige Prozesse führten zu psychiatrischen Gutachten – darin wird er als „querulierender Paranoiker“ bezeichnet. Er wurde in die [[Provinzial-Heilanstalt Münster-Marienthal]] eingewiesen, die bei Bombenangriffen im Jahre 1944 weitgehend zerstört wurde. Spießbach war bereits zuvor in die Anstalt in Marsberg (Sauerland) evakuiert worden, erkrankte an Tuberkulose und zog sich zunehmend in seine eigene Gedankenwelt zurück.
  
In den frühen 1950er Jahren trifft Spießbach im Westfälischen Landeskrankenhaus in Marsberg auf den jungen, engagierten Psychiater ''Manfred in der Beek'', der sich mit Bildern von Patienten und Kunsttherapie auseinandersetzte. Er gab Spießbach Zeichenmaterial und regte ihn zur künstlerischen Auseinandersetzung an.
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In den frühen 1950er Jahren traf Spießbach im Westfälischen Landeskrankenhaus in Marsberg auf den jungen, engagierten Psychiater ''Manfred in der Beek'', der sich mit Bildern von Patienten und Kunsttherapie auseinandersetzte. Er gab Spießbach Zeichenmaterial und regte ihn zur künstlerischen Auseinandersetzung an.
  
In einer sehr kurzen Phase von 1952 bis 1953 entstanden in einem kreativen Ausbruch 300 Zeichnungen, Skulpturen, Buchentwürfe und Essays über archäologische sowie sprach- und kunstwissenschaftliche Themen: „Kunst und Wahnsinn“, „Die Klugheit und die Dummheit“ oder die „Verkürzung der englischen Sprache“. Spießbach, dessen Werk  Werk sehr akribisch ausgeführt und von seiner Vorbildung als technischer Zeichner und Gebrauchsgrafiker gekennzeichnet ist, arbeitete ironisch, provokant und mit skurrilem Humor. Sein Schaffen verstand er als „Anstalts-Intelligenzprüfung“; dabei machte er sich über die politischen Verhältnisse und Autoritäten lustig – darunter auch über den Direktor der psychiatrischen Einrichtung („Holzkopf“).
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In einer sehr kurzen Phase von 1952 bis 1953 entstanden in einem kreativen Ausbruch 300 Zeichnungen, Skulpturen, Buchentwürfe und Essays über archäologische sowie sprach- und kunstwissenschaftliche Themen: „Kunst und Wahnsinn“, „Die Klugheit und die Dummheit“ oder die „Verkürzung der englischen Sprache“. Spießbach, dessen Werk sehr akribisch ausgeführt und von seiner Vorbildung als technischer Zeichner und Gebrauchsgrafiker gekennzeichnet ist, arbeitete ironisch, provokant und mit skurrilem Humor. Sein Schaffen verstand er als „Anstalts-Intelligenzprüfung“; dabei machte er sich über die politischen Verhältnisse und Autoritäten lustig – darunter auch über den Direktor der psychiatrischen Einrichtung („Holzkopf“).
  
 
Spießbach unternahm mehrere Fluchtversuche aus den Kliniken, in die er eingewiesen worden war; bei einem stürzte er so schwer beim Abseilen aus einem Fenster, dass er an den Folgen seiner Verletzungen am 12. Oktober 1956 verstarb.
 
Spießbach unternahm mehrere Fluchtversuche aus den Kliniken, in die er eingewiesen worden war; bei einem stürzte er so schwer beim Abseilen aus einem Fenster, dass er an den Folgen seiner Verletzungen am 12. Oktober 1956 verstarb.

Version vom 14. Februar 2014, 18:55 Uhr

Erich Spießbach (* 30. November 1901 in Gotha; † 12. Oktober 1956 in Münster) war ein Zeichner, Essayist, archäologischer Grabungshelfer und Künstler. Er lebte später viele Jahre in psychiatrischen Anstalten u.a. in der Westfälischen Provinzial- und Pflegeanstalt Marienthal. Er liegt auf dem Waldfriedhof Lauheide begraben.

Leben

Erich Spießbach wurde als fünfter Sohn des Glasermeisters Heinrich Spießbauch und seiner Frau Johanna Berger im thüringischen Gotha geboren; der Familienname wurde wahrscheinlich in den frühen 1920er Jahren nach dem Tod des Vaters geändert. Erich Spießbach besuchte von 1906–1916 die Volksschule in Gotha. Danach machte er eine Lehre als Zeichner bei der Gothaer Waggonfabrik und arbeitete dort später als technischer Zeichner, bis er 1923 die Firma auf eigenen Wunsch verließ. Schon längst – wahrscheinlich durch das Vorbild seines Bruders beeinflusst – wollte er eine künstlerische Laufbahn einschlagen. Von 1923 bis 1925 besuchte er die Kunstgewerbeschulen in Flensburg und Erfurt. In den Jahren 1924 und 1925 verdiente er seinen Lebensunterhalt als Holzbildhauer im Atelier von Gustav Heinze in Gotha. Von 1925 bis 1928 arbeitete er im ehemaligen Heimatmuseum in Gotha.

Im Jahr 1928 wechselte Spießbach Mitarbeiter am Landesmuseum für die Provinz Westfalen (Landesmuseum für Vor- und Frühgeschichte). Er begann mit Hilfstätigkeiten, allerdings erkannte man schon bald sein besonderes zeichnerisches und präparatorisches Talent; er wurde Grabungsleiter und mit der Anfertigung von Dokumentationen betraut. Allerdings zeigten sich zu dieser Zeit auch erste Symptome seiner psychischen Erkrankung. Mit seinem Vorgesetzten August Stieren (1885–1970) geriet er schon bald in Konflikt. Typisch für Spießbachs weiteres Leben waren Reibereien und massive Konflikte mit Vorgesetzten und Autoritäten, die in ausgedehnte gerichtliche Prozesse mündeten. In Münster, wo Spießbach als Grabungshelfer, Zeichner und sehr geschickter Präparator von Fundstücken arbeitete, wollte er nicht mehr nur geschätzter „Helfer“ sein. Er sah sich als verkannter „Wissenschaftler“, und verstrickte sich in der Zeit des Nationalsozialismus zusätzlich in ideologische Auseinandersetzungen über die Deutung germanischer Funde. Spießbachs hartnäckige Prozesse führten zu psychiatrischen Gutachten – darin wird er als „querulierender Paranoiker“ bezeichnet. Er wurde in die Provinzial-Heilanstalt Münster-Marienthal eingewiesen, die bei Bombenangriffen im Jahre 1944 weitgehend zerstört wurde. Spießbach war bereits zuvor in die Anstalt in Marsberg (Sauerland) evakuiert worden, erkrankte an Tuberkulose und zog sich zunehmend in seine eigene Gedankenwelt zurück.

In den frühen 1950er Jahren traf Spießbach im Westfälischen Landeskrankenhaus in Marsberg auf den jungen, engagierten Psychiater Manfred in der Beek, der sich mit Bildern von Patienten und Kunsttherapie auseinandersetzte. Er gab Spießbach Zeichenmaterial und regte ihn zur künstlerischen Auseinandersetzung an.

In einer sehr kurzen Phase von 1952 bis 1953 entstanden in einem kreativen Ausbruch 300 Zeichnungen, Skulpturen, Buchentwürfe und Essays über archäologische sowie sprach- und kunstwissenschaftliche Themen: „Kunst und Wahnsinn“, „Die Klugheit und die Dummheit“ oder die „Verkürzung der englischen Sprache“. Spießbach, dessen Werk sehr akribisch ausgeführt und von seiner Vorbildung als technischer Zeichner und Gebrauchsgrafiker gekennzeichnet ist, arbeitete ironisch, provokant und mit skurrilem Humor. Sein Schaffen verstand er als „Anstalts-Intelligenzprüfung“; dabei machte er sich über die politischen Verhältnisse und Autoritäten lustig – darunter auch über den Direktor der psychiatrischen Einrichtung („Holzkopf“).

Spießbach unternahm mehrere Fluchtversuche aus den Kliniken, in die er eingewiesen worden war; bei einem stürzte er so schwer beim Abseilen aus einem Fenster, dass er an den Folgen seiner Verletzungen am 12. Oktober 1956 verstarb.

Sein Werk befindet sich im Besitz der Familie in der Beeck. Im Jahr 2012 widmete das Gothaer Museum für Regionalgeschichte und Volkskunde dem "dreifach diplomierten Idioten" – wie sich Erich Spießbach oft selbst bezeichnete – eine eigene Ausstellung. Vom 9. Februar bis 4. Mai 2014 übernahm das Kunsthaus Kannen die Werkschau.

Weblinks