Elisabet Ney

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Elisabet Ney um 1859 (Fotograf nicht bekannt; Quelle: commons.wikipedia.org)

Francisca Bernardina Wilhelmina Elisabetha Ney (* 26. Januar 1833 in Münster; † 29. Juni 1907 in Austin (Texas), war eine deutsche, später eine US-amerikanische Bildhauerin. Seit Dezember 1856 führte sie den Künstlernamen Elisabet Ney. Sie war weltweit eine der ersten Bildhauerinnen, die von ihrem Schaffen leben konnte. Dabei konnte sie auf kein Vorbild zurückgreifen, das ihr den Lebensweg als kreative Frau zu persönlicher und wirtschaftlicher Unabhängigkeit vorgelebt hätte. Frauen, gar berufstätige Frauen, kamen jenseits des Adels in der Öffentlichkeit vor 1871 so gut wie gar nicht vor.

Kindheit und erste Ausbildung in Münster

Elisabet Ney wurde am 26. Januar 1833 in Münster geboren und zwei Tage später in der Sankt Martini-Kirche getauft. Ihr Vater (Johann) Adam Ney stammte aus Lothringen und war Bildhauer, ihre Mutter Anne Elisabeth Ney, geborene Wernze, stammte aus Geseke in Westfalen. Elisabet Ney wurde 1839 in die Martini-Mädchenschule eingeschult und besuchte später die Seminartöchterschule (Domschule). Grundkenntnisse der Bildhauerei erwarb sie in der Werkstatt ihres Vaters, ersten Mal- und Zeichenunterricht erhielt sie von dem Porträtmaler Theodor Emmerich. 1850 setzte das selbstbewusste und eigenwillige Mädchen ihr Studium als Bildhauerin gegen den Willen ihrer Eltern durch - nach Angaben ihrer Biografin durch einen Hungerstreik. Auf Vermittlung des Bischofs Johann Georg Müller ging sie zum Studium aber nicht ins protestantische Berlin, sondern ins katholische München.

Studium bei Widmann und Rauch: 1852 - 1857

Den Anfang nahm ihre Ausbildung an der Zeichen- und Malschule des Porträt- und Historienmalers Johann Baptist Berdellé. Der Maler Wilhelm Kaulbach, Direktor der Münchener Akademie der Bildenden Künste nahm sie als erste Frau - zunächst probeweise - im November 1852 in die Bildhauerklasse auf. Nach zwei Studienjahren beendete Elisabet Ney die Akademieausbildung bei Max Widmann und ging 1854 nach Berlin, um sich bei Christian Daniel Rauch – dem damals führenden Bildhauer im deutschsprachigen Raum – weiterzubilden. Auch wenn sie nie in der Akademie in Berlin eingeschrieben war, erhielt sie jedoch aufgrund ihres Talentes in Entwurf und Ausführung ein Stipendium für ein Jahr. Sie gehörte zum engeren Schülerkreis und arbeitete mit anderen im Atelier von Rauch – im so genannten „Königlichen Lagerhaus“ – an der Ausführung der Werke des Meisters mit.

Das künstlerische Schaffen in Europa: 1858 bis 1870

Schon früh hatte Ney erkannt, dass die Aufträge sich nicht von selbst einstellen würden. Mit besonderer Hartnäckigkeit verfolgte Elisabet Ney deshalb das Akquirieren von Aufträgen, beispielsweise des Porträts von Arthur Schopenhauer (1788–1860). Der allseits bekannte Frauenhasser war fasziniert von der jungen Frau, die ihn dazu brachte, sich in vielen Stunden und Sitzungen 1859 porträtieren zu lassen. Seit 1868 lebte und arbeitete sie wieder in München, hatte Anteil an der Gestaltung der Neuen Polytechnischen Hochschule unter Gottfried von Neureuther (1811–1887) und porträtierte König Ludwig II. von Bayern lebensgroß. Sie fertigte Büsten von Arthur Schopenhauer, Giuseppe Garibaldi, Otto von Bismarck, Justus von Liebig, Friedrich Wöhler, Jakob Grimm, Karl August Varnhagen von Ense und Eilhard Mitscherlich. Außerdem einen gefesselten Prometheus. Nach ihrer Auswanderung nach Texas bekam sie den Auftrag die Büsten von Sam Houston und Stephen F. Austin für die Weltausstellung in Chicago 1893 zu schaffen. Die Büsten sind heute jeweils im Texas State Capitol in Austin und in der National Statuary Hall Collection im Kapitol in Washington, D.C. zu betrachten. Außerdem schuf sie ein Grabdenkmal von Albert Sidney Johnston (heute auf dem Texas State Cemetery), sowie eine Lady Macbeth, heute in der Sammlung des Smithsonian American Art Museum.

Privatleben und Persönlichkeit

Auch in ihrem alltäglichen Leben war Ney eine besondere Persönlichkeit: Sie befasste sich mit gesunder Ernährung, verweigerte sich der allseits einschnürenden Mode der Zeit und war Jahrzehnte vor der Reformkleid-Bewegung der Jahrhundertwende in lange, wallende Gewänder gehüllt, die ihr nicht nur genügend Bewegungsspielraum für ihre Arbeit ließen.

In Heidelberg 1853/1854 lernte sie den schottischen Arzt Edmund D. Montgomery kennen. Mit ihm fand Elisabet Ney einen ebenso außergewöhnlichen Mann – Edmund D. Montgomery trug als Arzt und Forscher mit, dass sie beide trotz ihrer Trauung auf Madeira am 7. November 1863 offiziell niemals als verheiratet galten. Elisabet Ney wollte nach außen hin ihre Selbständigkeit in keiner Weise berührt sehen. Ihren Künstlernamen hatte sie 1856 gefunden und an diesem hielt sie ebenso wie an ihrer Kurzhaarfrisur (mindestens seit 1854) an ihrem vorgegebenen Fräuleinimage bis an ihr Lebensende fest.

Elisabeth Ney fiel schon in ihrer Heimatstadt Münster durch außerordentliche Schönheit auf. „Selten hat eine deutsche Frau so viele Verehrer gefunden, aber selten auch hat sie ihre Verehrer so wenig beachtet,“ übertreibt Eugen Müller in ihrer Biographie. Dort zitiert er auch die Knabenerinnerungen des niederdeutschen Dichters Eli Marcus – die er als Siebzigjähriger notierte „Als Knabe von acht Jahren war ich mit meiner Mütter in einem Münsterischen Kaufhause, als eine Dame eintrat, die einen tiefen Eindruck auf mich machte. Ich befragte meine Mutter und diese sagte mir, daß es die Bildhauerin Elisabeth Ney sei. Die wunderschöne Frau trug ein Gewand aus schwarzem Samt, welches den edlen Hals freiließ. Der einzige Schmuck war ein etwa vier Finger breiter Silberfiligrankragen, alter Spitzenarbeit vergleichbar, der den Halsausschnitt umgab. Das Haar trug sie à la Titus, kurz gelockt. Ihr Profil war edel, wohl wie das eines schönen Jünglings. Die Haltung frei und stolz, dabei ungezwungen. Es sind ja nun schon weit über sechzig Jahre seitdem ins Land gezogen, aber der Eindruck, den Elisabeth Ney auf den Knaben machte, ist unvermischt.“ (Müller 1931:43)

Leben in Texas

Trotz eines erfolgreichen Künstlerlebens in München, das ihr immerhin den Erwerb eines stattlichen Hauses mit Atelier ermöglichte, wanderte sie mit ihrem Mann Edmund D. Montgomery 1871 in die USA aus. 1873 kauften sie eine Farm, die Liendo Plantation in Hempstead, Waller County, Texas. Dort begann ein langer, am Ende erfolgloser Lebensabschnitt als Farmerin, der mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten endete. Elisabet Ney hatte dort eigenständig die Farm Liendo betrieben und ihr Gatte Edmond Montgomery hatte neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit versucht, eine Schule für die befreiten schwarzen Sklaven aufzubauen. Nach 17 Jahren erfolglosen Kampfes um die Farm hat sich Elisabet Ney wieder der Kunst zugewendet und ein Atelier in Austin/Texas aufgebaut. Nebenbei war sie auch kunstpolitisch aktiv und begründete eine Gruppe von Kunstinteressierten, die sich für die Gründung einer Kunstakademie in Austin einsetzte. Sie ließ nach ihren eigenen Plänen 1893 ein Ateliergebäude aus Stein errichten.

Das weltweit erste Museum für eine bildende Künstlerin

Sie starb 1907 in Austin/Texas und hinterließ ihren künstlerischen Nachlass der dortigen Universität. Es existiert seit 1911 in dem von ihr selbst entworfenen Ateliergebäude ein Museum, das sicherlich das älteste einer Künstlerin gewidmete Museum weltweit ist. Dort wird im Wesentlichen ihr künstlerischer Nachlass verwahrt. Darunter befinden sich viele der originalen Entwurfsbüsten und einige Marmorausführungen aus ihrer Schaffenszeit in Amerika.

Elisabet Ney im „Drei-Frauen-Museum“ Münster

Am 6. Januar 1932 wurde im Obergeschoss der ehemaligen JohanniterkommendeWP an der Bergstraße ein städtisches Museum zu Ehren dreier bedeutender Frauen der Stadt Münster eröffnet, das schon bald das „Drei-Frauen-Museum“ genannt wurde: Der Dichterin Annette von Droste-Hülshoff wurden drei Räume, Fürstin „Amalie von GallitzinWP“ und der Bildhauerin Elisabet Ney jeweils ein Raum gewidmet. Die darin gezeigten Objekte wurden von Privatsammlern zur Verfügung gestellt. Besonderer Blickfang dieses Raumes war das Hauptwerk der Bildhauerin: die Knabengruppe Sursum.

1936 zog der Museumsbereich der Droste in das Rüschhaus um. Über den Verbleib der Objekte aus den beiden anderen Museumsbereichen ist nichts bekannt. Die Stadt Münster kündigte das seit 1929 bestehende Mietverhältnis mit der fürstlichen Verwaltung Bentheim-Steinfurt, Eigentümer der Johanniterkommende, zum 31. August 1938. Spätestens bis dahin mussten auch diese beiden Zimmer geräumt sein. Inwieweit dies tatsächlich geschah und über den genauen Ablauf, auch zur Rückführung einzelner Objekte zu ihren Besitzern, lässt sich keine gesicherte Aussage treffen. Nicht alle Werke der Bildhauerin, die einst präsentiert wurden, sind heute noch erhalten, ihre Spur hat sich verloren. Es wurden auch nicht alle Objekte ihren Leihgebern zurückgegeben. Vermutlich wurden viele Werke im „Zweiten WeltkriegWP“ zerstört.

Nachdem das Stadtmuseum in Münster bereits im Sommer 1997 mit einer kleinen Ausstellung an den 90. Todestag Elisabet Neys erinnert hatte, wird dort vom 27. Januar bis zum 25. Mai 2008 ein breiterer Ausschnitt aus ihrem Œuvre mit zahlreichen Leihgaben gezeigt. Anlass dieser Ausstellung Herrin ihrer Kunst. Die Bildhauerin Elisabet Ney in Europa und Amerika ist der 175. Geburtstag der Bildhauerin.

Kunsthistorische Bedeutung von Elisabet Ney

In die US-amerikanische Kunstgeschichtsschreibung findet Elisabet Ney früh Eingang und hat dort auch heute noch ihren Platz. Obwohl ihr Kontakt nach Deutschland nie abgerissen ist, ist sie heute hier weitgehend vergessen. Dies hängt unter anderem mit den Kriegszerstörungen zusammen, denen auch diejenigen Gebäude zum Opfer gefallen sind, in denen sie große Ausstattungsbeiträge geleistet hat: beispielsweise das Ständehaus in Münster oder die Neue Polytechnische Hochschule in München. Doch steht immerhin ein bedeutendes Werk im Mittelpunkt einer touristischen Hochburg: das Standbild Ludwig II. von Bayern auf Schloss Herrenchiemsee. Das überlebensgroße Marmorbild des bayerischen Königs ist im Ludwig II.-Museum im Schloss zu sehen. Doch der geheimnisumwitterte Ruhm des bayerischen „Märchenkönigs“ lässt kaum Aufmerksamkeit für die Bildhauerin aufkommen.

Die Werke Neys sind in den großen Museen in Berlin, Hannover, München und Weimar sowie in der Universitätsstadt Göttingen vertreten. Der wichtigste Aufbewahrungsort ihres Oeuvres ist das Elisabet-Ney-Museum in Austin/Texas. Vor allem anhand der Gipsmodelle wird deutlich, mit welcher Intensität sich die Künstlerin bei den stundenlangen Sitzungen mit der porträtierten Persönlichkeit auseinandergesetzt und deren Charaktereigenschaften mit großer Sensibilität in eine belebte Oberfläche gefasst hat. Obwohl Ney dem repräsentativen und klassizistischen Stil der Berliner Bildhauerschule unter deren Oberhaupt Christian Daniel Rauch verbunden blieb, zeichnen insbesondere die Original-Entwurfsbüsten eine psychologische Dimension aus, die ihresgleichen sucht. Im Gegensatz zu später geborenen Künstlerinnen wie Camille Claudel oder Gabriele Münter gelingt es ihr, ein eigenständiges künstlerisches und wirtschaftliches Leben zu führen – wenn auch oft nicht ohne Schulden.

Elisabeth Ney starb 1907 und wurde in Liendo beigesetzt - später fand ihr Mann seine letzte Ruhe an ihrer Seite. 1911 wurde ihr zu Ehren die Texas Fine Arts Association begründet.

Literatur

  • Rommé, Barbara (Hrsg.), Herrin ihrer Kunst - Elisabet Ney. Bildhauerin in Europa und Amerika, Ausstellungskatalog Stadtmuseum Münster 2008.
  • Köster, Magdalena / Härtel, Susanne (Hrsg.), "Ich werde niemand zu Füßen liegen", Weinheim 2003, ISBN: 9783407789143
  • Stetten-Jelling, Dagmar von, Elisabet(h) Ney (1833–1907). Bildhauerin in Europa und Amerika. Eine ungewöhnliche Karriere, (Diss.), Berlin : dissertation.de 2003, (ISBN 3-89825-635-9)
  • Galen, Hans (Hrsg.) : Die Bildhauerin Elisabet Ney 1833 - 1907; (Ausstellungskatalog Stadtmuseum Münster 29. Juni - 14. September 1997); Münster 1997
  • Little, Carol Morris : A Comprehensive Guide to Outdoor Sculpture in Texas. University of Texas Press, Austin, Texas, 1996 (ISBN 0-292-76034-5)
  • Sommer, Liane : "...ein mehr als kühnes Mädchen". Die Bildhauerin Elisabeth Ney (1833 bis 1907); in: Arbeitskreis Frauengeschichte (Hg.) : FrauenLeben in Münster : Ein historisches Lesebuch; Münster : Verlag Westfälisches Dampfboot 19981; S. 336 - 349
  • Hendricks, Patricia D., Reese, Becky Duval : A Century of Sculpture in Texas: 1889 - 1989. (Ausstellungskatalog: Archer M. Huntington Art Gallery, College of Fine Arts, University of Texas at Austin), University of Texas Press, Austin, Texas, 1989
  • Cutrer, Emily Fourmy : The Art of the Woman: The Life and Work of Elisabet Ney. University of Nebraska Press, Lincoln, Nebraska, 1988 (ISBN 0-8032-1438-3)
  • Ammers-Küller, Jo van; Diana . Lebensgeschichte der Bildhauerin Elisabet Ney (1833 - 1907); Zürich : Sanssouci 1960
  • Fortune, Jan; Barton, Jean : Elisabet Ney. Alfred A. Knopf, New York, 1943
  • Müller, Eugen; Elisabeth Ney zum 100. Geburtstag am 26. Januar 1933, in: Das schöne Münster, 5. Jahrgang, Heft 2 (15.Januar 1933)
  • Müller-Münster, Eugen; Elisabeth Ney. Die seltsamen Lebensschicksale der Elisabeth Ney und des Edmund Montgomery (1833–1907), Leipzig : von Hase & Koehler 1931.
  • Taylor, Bride Neill; Elisabet Ney, sculptor, New York : The Devin-Adair 1916 (Neuausgabe Austin, Texas 1938)

Weblinks