August Schmiemann
August Schmiemann (* 17. Februar 1846 in Münster; † 5. August 1927 in Münster) war ein Münsteraner Bildhauer.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Schmiemann entstammt einer alteingesessenen „Paohlbürger“-Familie. Pate war sein Onkel, der Theologie-Professor August Bisping. Seine Eltern schickten ihn aufs Gymnasium, weil sie und der Taufpate ihn als Geistlichen wünschten. August setzte sich nach dem Schulabschluss gegen alle Widerstände durch und absolvierte eine Lehre beim Bildhauer Wörmann. Der Nachbar, ein Ofensetzer, hatte als erster sein Talent erkannt: „Schmiemanns Vater, ick sägge di, de Junge hät Schanie“. Die Wanderjahre führten August nach Hannover und Amsterdam, wo er die Kunstschule Felix Meritis besuchte, und schließlich zur Weiterbildung nach Berlin. Danach zog er in den Deutsch-Französischen Krieg 1870/1871. Nach seiner Rückkehr heiratete er seine Jugendliebe Elisabeth Meschewsky; mit ihr hatte er zehn Kinder, davon wurden drei Söhne Bildhauer.
Werk
Schmiemann schuf zahlreiche sakrale und profane Werke. Religiöse Kunstwerke stehen in 150 Kirchen - Altäre, Heiligenfiguren und Grabmale. Monumente für den Reichskanzler von Bismarck und Friedrich Schiller entstanden in rascher Folge.
Der Kiepenkerl
Im Oktober 1895 schloss der Verschönerungsverein Münster mit dem Bildhauer einen Vertrag über die Schaffung eines Kiepenkerl-Denkmals. Die Statue sollte 1,75 m groß sein und auf einem Sockel aus Sandstein stehen. Als Vergütung wurde ein Betrag von 2.960 Mark vereinbart. Die Statue wurde am 16. Oktober 1896 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung eingeweiht. Sie wurde allgemein geschätzt. Dazu trug bei, dass Schmiemann einen klugen Mann dargestellt hatte, der um keine Worte verlegen war, um seine Kunden zu bedienen. Hinzu kam ein bodenständiger Humor.
Das Denkmal überstand die Bombenangriffe auf Münster im Oktober 1943: »Während rundherum die Altstadt brannte, blieb die Statue ohne Beschädigung stehen. Daraufhin ließen die Nationalsozialisten ein Plakat mit seinem Foto drucken und der Aufschrift: „Wi staoht fast - trotzdem und dennoch!“ Diesem Umstand ist es zuzuschreiben, daß die US-amerikanischen Besatzer bei ihrem Einmarsch in Münster einen Zusammenhang zwischen Nationalsozialisten und Kiepenkerl herstellten und das Denkmal mit einem Panzer umlegten.«
Während Münster noch in Trümmern lag, schrieb die Niederdeutsche Bühne einen Wettbewerb für die neu zu errichtende Kiepenkerl-Statue aus. Die zwölf eingesandten Entwürfe sagten der Jury unter dem Vorsitz des Oberbürgermeisters Dr. Karl Zuhorn jedoch nicht zu. Als dann der Bildhauer Albert Mazzotti jr. in einem Brief die Stadtverwaltung anflehte, ihm angesichts seiner desolaten wirtschaftlichen Lage eine Arbeitsmöglichkeit zu verschaffen, beauftragte man ihn und seinen Kollegen Heinrich Ostlinning, eine dem ursprünglichen Denkmal ähnliche Statue zu erstellen. Dieser Auftrag wurde zur allgemeinen Zufriedenheit erfüllt. So konnte dieses Denkmal in Beisein von Bundespräsident Theodor Heuss anläßlich des 20. Deutschen Bauerntages in Münster enthüllt werden. Mazzotti jr. bezeichnete diesen Auftrag als seine wichtigste Arbeit.
Denkmal Christoph Bernhard von Galen
Der Pfarrer von Telgte, Anton Hovestadt, regte 1896 an, zum 250. Jahrestag der Errichtung der Wallfahrtskapelle Telgte im Jahre 1904 ihrem Erbauer, Sr. Excellenz Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen, ein Denkmal zu setzen. Das zu diesem Zweck gebildete Komitee erließ einen Spendenaufruf und suchte Sponsoren. Schmiemann wurde damit beauftragt, einen Entwurf für dieses Denkmal zu liefern.
Von Galen war in Münster wegen seiner Streitbarkeit und zahlreichen Fehden unbeliebt und wurde hier nur „Bombenbernd“ genannt; u.a. hatte er die Stadt acht Monate lang belagert. Da er ein großer Förderer der Marienwallfahrt nach Telgte, war, zeigt ihn ein Relief im Sockel des Denkmals am Münstertor in Telgte als Betender vor der Marien-Pietà. Zwar konnte die PlastikWP im „Ersten WeltkriegWP“ vor der sog. „Metallspende“ für die Rüstungsindustrie bewahrt werden, aber im „Zweiten WeltkriegWP“ blieb sie davon nicht verschont. Nach dem Krieg wurde das Standbild neu gegossen und an gleicher Stelle errichtet. Seit 1996 steht es auf der Denkmalliste der Stadt Telgte.
Denkmäler für Politiker
Der Ruf des Bildhauers führte dazu, dass ihm zahlreiche Aufträge zuteil wurden. Nach seinem Entwurf wurde das Bismarck-Standbild in Herne-Eickel in Bronze gegossen. Aus seiner Hand entstand für den Reichskanzler Otto von Bismarck ein Bismarck-Denkmal in Bad Bentheim, das am 16.06.1901 feierlich enthüllt wurde. Das Denkmal ist erhalten.
Populäre Typen: Landois und Kuhhirte
Anlässlich der „Silberhochzeits-Feier“ des Zoologischen Gartens Münster im Jahre 1900 beauftragten Freunde von Prof. Hermann Landois den Künstler, eine SkulpturWP von ihm anzufertigen. Landois hatte den Zoo im Jahre 1875 gegründet und sollte nicht vergessen werden. Anfangs stand das Denkmal vor der Tuckesburg am Zoo, wo Landois mit seiner Nichte Pollak und dem Affen „Lehmann“ wohnte. Später wurde es – wie der Zoo – zum Aasee umgesiedelt, wo es heute die Gäste im Eingangsbereich begrüßt. Im Kopf des Denkmals befindet sich ein Nistkasten für Stare. Landois meinte dazu: „Ick hew mien ganz Liäwen lang eenen Vuogel innen Kopp hat! Nu sallt de Vüögel sick up mien Denkmaol setten.“ [Anm. 1]. Barbara Klössel bezeichnet das Denkmal als „Grenzposition der damaligen Kunstübung“ [Anm. 1], weil es in akribischer Genauigkeit die Gestalt von Landois mit all ihren spezifischen Merkmalen – in der Haltung, der Gestik und Mimik, sowie den Attributen – in Kupfer getrieben wurde.
Die Stadt Bochum wollte mit einem Denkmal an die Vergangenheit als Ackerbürger-Städtchen erinnern. Der Bildhauer wurde beauftragt, den städtischen Kuhhirten, die bis 1870 tätig waren, ein Denkmal zu errichten. Das von Schmiemann geschaffene Werk stellt einen Kuhhirten mit seinem Hund dar, in der Hand ein Horn, mit dem er das Vieh der Bochumer Bürger auf die VödeWP trieb, die damals ein städtisches Weideland war. Ein Teil der Vöde ist heutzutage der Stadtpark von Bochum. Das Denkmal ist am 30. Mai 1908 auf dem Alten Markt in Bochum der Öffentlichkeit übergeben worden. Im „Zweiten WeltkriegWP“ wurde es für die Rüstungsindustrie eingeschmolzen und im Jahre 1962 vom Bochumer Bildhauer Kruse in einer Neufassung wieder errichtet. Sein Standort wurde aufgrund der städtebaulichen Umgestaltung nach 1945 um einige Meter versetzt.
In Bochum wird das Denkmal im Allgemeinen mit dem letzten „Kuhhirte Fritz Kortebusch“ in Verbindung gebracht. Dieser Henrich Kortebusch starb zwar vier Jahre vor Ende des Viehtriebes, ist aber als langjähriger Viehhirte belegt.
Schiller-Denkmal in Leipzig
In Leipzig führte August Schmiemann den Entwurf eines Kollegen für ein Schiller-Denkmal in weißem Marmor aus. Dabei handelt es sich aber um den ältesten Sohn, der auch als Bildhauer arbeitete und sich in Leipzig niederließ.
Der Sense(n)mann in Köln
Auf dem Melaten-Friedhof in Köln steht ein Grabmal für den Kaufmann Johann Müllemeister in Form eines „Sensenmanns“ mit Sanduhr und Sense.
Sonstige Werke
Schließlich stammt auch ein Kreuzweg in Sögel (Emsland) neben vielen anderen sakralen Kunstwerken von seiner Hand. Außerdem stammen von ihm Modelle für eine Kuhhirtin, einen alten Seidenweber, einen Hacketäuer, eine „Appeltiewe“ - alle mit dem gleichen Humor und Sinn für volkstümliche Gestalten geschaffen.
Schmiemann als Lehrer
Der Künstler war auch als Lehrer aktiv. Der emsländische Bildhauer Bernhard Heller (1878-1937), genannt Hellerbernd, absolvierte zwischen 1895 und 1900 bei Professor Schmiemann eine gründliche Ausbildung in allen Bildhauerarbeiten. Auch der Bildhauer Wilhelm Haverkamp (1864-1929) aus Senden, ein Vertreter der Stilepoche des Historismus, fand seine erste künstlerische Ausbildung schon als 13-jähriger Junge bei Schmiemann und Heinrich Fleige. Von 1877 bis 1881 absolvierte er eine Bildhauerlehre und wurde Gehilfe von Schmiemann. Er bat diesen um Unterstützung zum Erlangen eines Stipendiums, damit er die Berliner Kunstakademie besuchen konnte. Dies gelang ihm mit einer Gruppe „Rotkäppchen“, wofür er 1883 einen 1. Preis erhielt und von der Stadt Münster ein Stipendium in Höhe von 400 Mark. Schließlich wirkte er zusammen mit anderen Münsteraner Bildhauern am Westportal der St.-Lamberti-Kirche mit, wo eine ganze Reihe von Skulpturen vereinigt sind, von denen zwei eine frappierende Ähnlichkeit mit Goethe und Schiller aufweisen.
Ausblick
Eli Marcus, der bekannte jüdische Schriftsteller aus Münster (1854-1935), mit dem Schmiemann befreundet war, schrieb im Jahre 1910 einen Beitrag für die illustrierte Halbmonatsschrift „Niedersachsen". Darin führte er u.a. aus, Schmiemann nehme unter den westfälischen Künstlern eine „ganz besondere Stellung“ ein. Er nannte ihn den niederdeutschen Künstler.
Heute ist die Person von August Schmiemann weithin vergessen. Keine Straße in Münster erinnert an sein Wirken. Auch die Archive als Gedächtnis einer Stadt weisen nur rudimentäre Erinnerungen an seine Biografie auf. Seine Werke aber haben Bestand, obwohl sie durch ihre natürliche Darstellung von der modernen, abstrakten Kunst nur belächelt werden. Seine Werke erfreuen sich nach wie vor - wie das Denkmal für Professor Landois und vor allem der Kiepenkerl in Münster - erheblicher Beliebtheit. Sie gelten als Symbole der sog. „guten alten Zeit“, weil man deren harte Realität weder erleben konnte noch sich überhaupt nur vorstellen kann. Diese nostalgische Hinwendung geht so weit, dass der US-amerikanische Modekünstler Jeff Koons (Jg. 1955) zur Internationalen Ausstellung „Skulptur-Projekte 1987WP“ eine Kiepenkerl-Statue aus Stahl ausstellte, die heute im Hirschhorn-Museum and Skulpture-Garden Washington D.C. steht. Offenbar versprechen sich Politiker von solchen populären Skulpturen positiven Eindruck auf Bürger; so ließ sich der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Jürgen Rüttgers, bei seinem Aufenthalt in Washington im Februar 2009 neben dieser Skulptur ablichten.
Anmerkungen
- [Anm. 1] Barbara Klössel: Moderne Kunst in Münster. Münster 1986, S. 54.
Literatur
- Aloys Buschmann: Münsters Bildhauer der Gegenwart. Münster o.J. (ca. 1920).
- Eli Marcus: Ein niederdeutscher Künstler. In: Niedersachsen, illustrierte Halbmonatsschrift, 15. Jahrgang 1909/1910, S. 123-125.
- Walter Werland: Bildhauer August Schmiemann. In: Westfälische Nachrichten (Ausgabe Münster?) vom 31. Januar 1984
- August Schmiemann. In: Helmut Ebert: Lexikon der bildenden und gestaltenden Künstlerinnen und Künstler in Westfalen-Lippe. Aschendorff, Münster 2001, ISBN 3-402-05458-2.
- Fred Kaspar: Ein Denkmal für Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen. In: Westfalen, Band 82 (2004, erschienen 2007), S. 343-354.
- Barbara Klössel: Moderne Kunst in Münster. Münster 1986, S. 54.
- Wolfgang Gernert: August Schmiemann schuf Denkmäler und Grabmale. In: Jahrbuch Unser Westfalen, Hamm (Westfälischer Anzeiger) 2010, S. 99/100; Derselbe, Der vergessene Bildhauer August Schmiemann (1846-1927). In: Zeitschrift Westfalen, 89.Bd. 2011, Münster 2012, S. 273-300, ISNN 0043-4337