Hof- und Adresskalender (Fürstbistum Münster): Unterschied zwischen den Versionen
(Die Seite wurde neu angelegt: „Der '''Hof- und Adresskalender''' gab offizielle (halbamtliche) Auskünfte zum Hof- und Staatswesen. Er beinhalteten Namensverzeichnisse von höheren Beamten u…“) |
|||
Zeile 1: | Zeile 1: | ||
− | Der '''Hof- und Adresskalender''' gab offizielle (halbamtliche) Auskünfte zum Hof- und Staatswesen. Er | + | Der '''Hof- und Adresskalender''' gab offizielle (halbamtliche) Auskünfte zum Hof- und Staatswesen. Er beinhaltete Namensverzeichnisse von höheren Beamten und Funktionsträger des Staates sowie weitere administrative und statistische Informationen. Die Bezeichnung „Kalender“ wies auf jährliche Erscheinungsweise hin. |
==Allgemeines== | ==Allgemeines== |
Version vom 8. März 2013, 14:29 Uhr
Der Hof- und Adresskalender gab offizielle (halbamtliche) Auskünfte zum Hof- und Staatswesen. Er beinhaltete Namensverzeichnisse von höheren Beamten und Funktionsträger des Staates sowie weitere administrative und statistische Informationen. Die Bezeichnung „Kalender“ wies auf jährliche Erscheinungsweise hin.
Allgemeines
Diese Publikationen begleiten den Wandel vom patriarchalisch regierten – und damit relativ überschaubaren – absolutistischen Staatswesen zu einem bürokratisch und höfisch zunehmend ausdifferenzierten Territorialstaat. Damit zog eine gewisse Transparenz in die Verwaltung ein, auch wenn es sich weiterhin um den Kalender eines Obrigkeitsstaat handelte. In Theodor Storms Gedicht „Vom Staatskalender“ (1856) scheinen soziale Bedeutung und Statusaspekt dieser Veröffentlichungen auf: Und es will sich doch nicht schicken, / Daß man so mit jeder geht, / Seit Papa im Staatskalender / In der dritten Klasse steht.
Im Laufe der Zeit wurden diese "Amtskalender" in ihrer Funktion und Struktur standardisiert. Im Prinzip waren es halbamtliche Publikationen, bei denen die Herausgeber auf die Kooperation mit der zentralen Verwaltung und seine fürstbischöfliche Privilegierung angewiesen waren. Letztlich handelte es sich um privatwirtschaftliche Verleger oder Buchhändler, die mit betriebswirtschaftlichem Kalkül ein "interessiertes Publikum" ansprechen und für einen profitablen Kalenderverkauf sorgen mussten. Damit waren gewisse Probleme bei der Sorgfalt, Datenqualität, der thematischen Auswahl etc. verbunden.
Der Hofkalender begann üblicherweise mit einem Jahresüberblick, der mit weiteren Angaben wie Heiligennamen, astronomische Merkwürdigkeiten, Hof- und Kirchenfesten oder Bauernregeln ergänzt wurde. Ein geistliches und weltliches Zeitgerüst, das den Jahreslauf nicht nur für die höfische Gesellschaft abbildete und strukturierte. Kernstück ist das Personalverzeichnis, das die offizielle Aufbauorganisation des Hofes sowie der einzelnen Territorialbehörden widerspiegelt. Streng hierarchisch vom Fürstbischof bis zum Kammerdiener. Meist schließt sich eine Übersicht über weitere Funktionsträger bzw. privilegierte Interessengruppen wie Hofchargen, Domkapitel, Landstände oder geistliche Orden an.
Der Hofkalender für das Fürstentum Münster
Der Chur-Cöllnische Hofkalender für das wichtigste geistliche Staatswesen in Nordwestdeutschland enthielt zusätzlich den Schematismus für die Territorien, die ebenfalls von den jeweiligen Kurfürsten (und Erzbischof) als geistlicher Landesherr regiert wurden. Dieser war verpflichtet, Organisationsstrukturen und Finanzkassen der einzelnen Länder strikt zu trennen; damit sind Informationen über das Herzogtum Westfalen, das Vest Recklinghausen sowie die Fürstbistümer Münster, Paderborn, Osnabrück oder Hildesheim in einigen Ausgaben des Kurkölnischen Kalender nachzuschlagen.
Für das Fürstbistum Münster und seine Verhältnisse ist beispielsweise der kurkölnische Hofkalender von 1761 – der in zwei Sprachen gedruckt wurde – interessant:
- Le Calendrier de la Cour de Son Altesse Serenissime Electorale de Cologne, pour l'An de Grâce de notre Seigneur Jesus-Christ MDCCLXI .
- Chur-Cöllnischer Hof-Calender Für das Jahr nach der gnadenreichen Geburt unseres Herrn und Seligmachers JEsu Christi 1761.
Besonders spannend für das Ende des alten Münster "unterm Krummstab" im Übergang zu einem säkularisierten, modernen (preußischen) Staatswesen ist der im Jahr 1800 bei der gnädigst privilegirten Köerdinkschen Hofbuchdruckerey erschienene
- Münsterischer Schreibkalender, auf das Jahr nach der gnadenreichen Geburt unsers Erlösers Jesu Christi MDCCC
Eindrucksvoll lassen sich hier die Verflechtungen der geistlichen und weltlichen Elite nachvollziehen deutlich wird auch, welchen Funktionsträger oder Familien des spätabsolutistischen fürstbischöflichen "Auslaufmodells" sich zunächst in die preußische, dann französische Administration hinüberretteten – um schließlich in der westfälischen Provinz weiterhin eine wichtige Rolle zu spielen.
Weblinks
Internet-Portal "Westfälische Geschichte": Münsterischer Schreibkalender, auf das Jahr nach der gnadenreichen Geburt unsers Erlösers Jesu Christi MDCCC [1800].Cum Privilegio Serenissimi / Münster in Westphalen, gedruckt und zu finden in der Kuhrfürstlichen gnädigst privilegirten Köerdinkschen Hofbuchdruckerey. Digitalisat