Drei rotierende Quadrate: Unterschied zwischen den Versionen
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Als dieser Plan am [[15. November]] [[1974]] in der Lokalpresse veröffentlicht wurde, empörten sich zahlreiche Leserbriefschreiber gegen diese Absicht. Vordergründig war es vor allem die Summe von 130.000 DM, die - wiewohl für den Ankauf von Kunstobjekten zweckgebunden - von den Leserbriefschreibern gern anderen Zwecken zugeführt worden wäre. Formulierungen wie "''Hoch der infantile Primitivismus! Wer gibt diesen Herren das Recht, die Allgemeinheit mit ihrer Kunstauffassung zu terrorisieren?"'', "''Herr, erleuchte ihren Verstand, denn sie wissen in ihrer Eile und künstlerischen Geschmacksverirrung nicht, was sie tun (...)''", "''geschmackloses undefinierbares Ding''", "''wer jetzt noch einen Gedanken an die Anschaffung dieser 'Entarteten Kunst' (...) verschwendet''" verraten aber auch eine weit verbreitete grundsätzliche Abneigung gegen eine unverstandene, weil ungewohnte Ästhetik im öffentlichen Raum (alle Zitate bei V. Schemann, pp. 12 ff. (s.Literatur)). | Als dieser Plan am [[15. November]] [[1974]] in der Lokalpresse veröffentlicht wurde, empörten sich zahlreiche Leserbriefschreiber gegen diese Absicht. Vordergründig war es vor allem die Summe von 130.000 DM, die - wiewohl für den Ankauf von Kunstobjekten zweckgebunden - von den Leserbriefschreibern gern anderen Zwecken zugeführt worden wäre. Formulierungen wie "''Hoch der infantile Primitivismus! Wer gibt diesen Herren das Recht, die Allgemeinheit mit ihrer Kunstauffassung zu terrorisieren?"'', "''Herr, erleuchte ihren Verstand, denn sie wissen in ihrer Eile und künstlerischen Geschmacksverirrung nicht, was sie tun (...)''", "''geschmackloses undefinierbares Ding''", "''wer jetzt noch einen Gedanken an die Anschaffung dieser 'Entarteten Kunst' (...) verschwendet''" verraten aber auch eine weit verbreitete grundsätzliche Abneigung gegen eine unverstandene, weil ungewohnte Ästhetik im öffentlichen Raum (alle Zitate bei V. Schemann, pp. 12 ff. (s.Literatur)). | ||
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+ | Rickeys Skulptur wurde nicht als Kunstwerk begriffen, sondern bestenfalls als technische Spielerei, die jeder halbwegs geschickte Handwerker "''auf einigen Bierdeckeln''" entwerfen und für kleines Geld bauen könne. Am [[22. November]] [[1974]], kurz vor Mitternacht, errichteten Mitglieder eines Kegelclubs aus [[Angelmodde]] an der [[Engelenschanze]] eine Imitation der Rickey-Quadrate, die sie aus einem alten Heizungsrohr, einigen Stangen und drei Hartfaserplatten, die mit Silberbronze bemalt und mit Cellophanfolie "wetterfest" gemacht worden waren. Die Imitation wurde alsbald wieder abgebaut, zwischengelagert und am [[Rosenmontagszug]] [[1975]] mitgeführt. | ||
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Version vom 10. Juni 2007, 18:03 Uhr
Drei rotierende Quadrate ist die Bezeichnung für eine kinetische Plastik des US-amerikanischen Bildhauers George Rickey (*1907 - †2002), die seit 1975 in dem kleinen Park an der Engelenschanze steht.
Inhaltsverzeichnis
Die Skulptur - Form und Technik
Tragendes Element der Plastik ist ein etwa 3,45 Meter hohes, im Boden befestigtes Trägerrohr aus Edelstahl von etwa 15 bis 20 cm Durchmesser. An dessen oberem Ende zweigen drei dünnere und kürzere vertikale Rohre ab, die untereinander einen gleichmäßigen Winkelabstand von 120 Grad haben. Jedes dieser vertikalen Rohre trägt ein jeweils ca. 1,15 Meter x 1,15 Meter großes Edelstahlquadrat. Jedes vertikale Trägerrohr ist in den Körper eines Quadrats hinein verlängert, so dass es die Quadratfläche im Verhältnis 1:2 teilt. Die Quadrate sind um die Trägerachsen beweglich. Im Quadratkörper verborgene, genau kalkulierte Gegengewichte sorgen dafür, dass die größeren Teilflächen nicht durch ihre Masse nach unten rotieren, sondern sich immer wieder nach oben ausbalancieren. Streng genommen handelt es sich nicht um rotierende, sondern um pendelnde Quadrate.
Die Pendelbewegungen sind in ihrer Art und in ihrem Verlauf durch die technische Konstruktion der Skulptur vorkonzipiert, ihr aktueller Auslöser ist aber bewusst zufälligen Naturkomponenten überlassen. Schon ein leichter Wind, oder auch der Anflug eines Vogels, etwa einer Taube, löst Bewegungen der Skulptur aus. Wechselnde Licht- und Schattenwirkungen, die durch die Bewegungen der Quadrate im Freien hervorgerufen werden, sind im Konzept der kinetischen Plastik durchaus gewollt.
Die Geschichte der Skulptur
Die Empfehlung der Kunstkommission
1974 empfahl die 1967 ins Leben gerufene Kunstkommission dem Rat der Stadt Münster, zweckgebundene Mittel aus einem Überschuss-Fonds der Stadtsparkasse dazu zu verwenden, eine moderne Skulptur anzukaufen und sie im Stadtbild aufzustellen. Bis dahin war moderne Plastik in der Formensprache des 20. Jahrhunderts nur in Verbindung mit einigen Bauprojekten in der Stadt realisiert worden. Die Wahl der Kunstkommission fiel auf Vorschlag von Klaus Bußmann, dem späteren Direktor des Westfälischen Landesmuseums für Kunst- und Kulturgeschichte auf die kinetische Plastik Drei rotierende Quadrate von George Rickey, die damals im Skulpturengarten der Nationalgalerie in Westberlin ausgestellt war und zum Verkauf stand. Der Preis sollte sich, incl. Transport- und anderer Nebenkosten, auf rund 130.000 DM belaufen.
Reaktionen
Als dieser Plan am 15. November 1974 in der Lokalpresse veröffentlicht wurde, empörten sich zahlreiche Leserbriefschreiber gegen diese Absicht. Vordergründig war es vor allem die Summe von 130.000 DM, die - wiewohl für den Ankauf von Kunstobjekten zweckgebunden - von den Leserbriefschreibern gern anderen Zwecken zugeführt worden wäre. Formulierungen wie "Hoch der infantile Primitivismus! Wer gibt diesen Herren das Recht, die Allgemeinheit mit ihrer Kunstauffassung zu terrorisieren?", "Herr, erleuchte ihren Verstand, denn sie wissen in ihrer Eile und künstlerischen Geschmacksverirrung nicht, was sie tun (...)", "geschmackloses undefinierbares Ding", "wer jetzt noch einen Gedanken an die Anschaffung dieser 'Entarteten Kunst' (...) verschwendet" verraten aber auch eine weit verbreitete grundsätzliche Abneigung gegen eine unverstandene, weil ungewohnte Ästhetik im öffentlichen Raum (alle Zitate bei V. Schemann, pp. 12 ff. (s.Literatur)).
Rickeys Skulptur wurde nicht als Kunstwerk begriffen, sondern bestenfalls als technische Spielerei, die jeder halbwegs geschickte Handwerker "auf einigen Bierdeckeln" entwerfen und für kleines Geld bauen könne. Am 22. November 1974, kurz vor Mitternacht, errichteten Mitglieder eines Kegelclubs aus Angelmodde an der Engelenschanze eine Imitation der Rickey-Quadrate, die sie aus einem alten Heizungsrohr, einigen Stangen und drei Hartfaserplatten, die mit Silberbronze bemalt und mit Cellophanfolie "wetterfest" gemacht worden waren. Die Imitation wurde alsbald wieder abgebaut, zwischengelagert und am Rosenmontagszug 1975 mitgeführt.
Die Proteste führten bei der Mehrheitsfraktion der CDU im Rat zu der Ansicht, man könne "ein solches Werk nicht gegen den Willen der Bürger durchsetzen" (Fraktionsvorsitzender Paul Hüffer, zitiert nach V. Schemann, S.32).
Geschenkt, nicht gekauft
Die Folgen