Synagoge (neu)
Die neue Synagoge in Münster ist seit 1961 das Zentrum der jüdischen Gemeinde. Sie steht an der Stelle der während der ReichspogromnachtWP 1938 zerstörten alten Synagoge in der Klosterstraße und wurde am 12. März 1961 eingeweiht.
Inhaltsverzeichnis
Vorgeschichte
Die 1961 errichtete Synagoge ist der vierte als Bet- und Versammlungshaus der jüdischen Gemeinde Münsters errichtete Bau. 1945 kehrten wenige Überlebende der Shoa aus den Konzentrationslagern ins Münsterland zurück, darunter Hugo Spiegel und das Ehepaar Goldenberg. Sie versuchten, Kontakte zu weiteren überlebenden Juden herzustellen. Da die Torarollen und die Gebetbücher der ehemaligen Warendorfer Synagoge gerettet worden waren, konnte am 7. September 1945 in Warendorf der erste Gottesdienst abgehalten werden. In Warendorf stand bis 1947 der gemeinsame Versammlungssaal der münsterländischen Juden. Als allein in Münster wieder 23 Juden lebten, versammelten sie sich in den Privaträumen der Goldenbergs zum gemeinsamen Gottesdienst. 1949 war das Gebäude der Marks-Hainsdorf-Stiftung am Kanonengraben 4 wieder aufgebaut und diente nun für ein Jahrzehnt der jüdischen Gemeinde, die bis um 1960 auf etwa 130 Personen anwuchs, als Versammlungs- und Bethaus.
Die Errichtung der neuen Synagoge
Für die zahlreichen Aktivitäten der wieder auf rund 130 Mitglieder angewachsenen jüdischen Gemeinde zeigte sich das Haus am Kanonengraben als zu klein. Der Architekt Helmut Goldschmidt (1918 - 2005) erhielt den Auftrag, für den Standort der alten, 1938 zerstörten Synagoge in der Klosterstraße, eine neue Synagoge und ein Gemeindezentrum zu entwerfen. Goldschmidt hatte schon seit den späten vierziger Jahren Betsäle und Synagogen für die jüdischen Gemeinden in Nordrhein-WestfalenWP entworfen und gebaut, so in Düsseldorf (1948/1950), in Köln (1949), in Koblenz (1950), in Dortmund (1956), wieder in Köln (1959, Wiederaufbau der Synagoge in der Roonstraße) und in Bonn (1959/1960). Später kamen noch Synagogenbauten in Wuppertal (1962), Koblenz (Umbau 1961/1962) und Mönchengladbach (1967) hinzu. Am 12. März 1961 konnte der Neubau durch den Landesrabbiner Dr. Hans-Channoch Meyer eingeweiht werden.
Das der Synagoge angegliederte Gemeindezentrum wurde nach Plänen des Architekten Natha Schächter ausgebaut, erweitert und barrierefrei gestaltet. Der Ausbau war am 25. Oktober 2012 nach knapp einjähriger Bauzeit abgeschlossen. Die Schlüsselübergabe und Eröffnung erfolgten am 28. Oktober 2012 im Rahmen eines „Tages der Offenen Tür".
Das Gebäude zwischen Klosterstraße und Promenade
Goldschmidts Bau gliedert sich in einen zwei Geschosse hohen, quer zur Straßenführung gelegenen rechteckigen Korpus, der die eigentliche Synagoge, den Bet- und Versammlungsaal, aufnimmt, und das nordöstlich anschließende einstöckige Gemeindezentrum, dessen Räume sich um einen Innenhof gruppieren.
Der Synagogenbau selbst gliedert sich in einen mittleren Teil, der nach oben von einem flachen Satteldach abgeschlossen wird, und in zwei seitliche schmalere und niedrigere Bauteile. So entsteht der Eindruck einer dreischiffigen Bauanlage, obwohl der Innenraum nicht durch Säulenreihen oder Ähnliches geteilt wird. Diesen Eindruck der Dreigliedrigkeit gewinnt auch der Betrachter der zur Straße gelegenen äußeren Giebelfront. Den mittleren Bauteil begrenzt hier eine rötliche Backsteinfront in einem Rahmen aus sichtbarem Stahlbeton. Im oberen Drittel der Ziegelwand ist ein großer siebenarmiger Leuchter, eine Menora (hebräisch: מנורה ) angebracht. Die zur Straße gelegenen Stirnwände der Seitenteile sind etwas zurückgesetzt und werden durch Buntglasfenster ausgefüllt. Der mittlere Teil der Synagoge geht im Osten in eine ebenso breite Nische über, in der der Aufbau für den Toraschrein steht. Der Toraschrein (hebräisch: Aron ha-Qodesch, ארון קודש ) nimmt die Torarollen der Synagoge auf. Vor dem Toraschrein steht auf einer Estrade die Bima, das Lesepult, auch Almemor genannt. Auf dieser Bima liegen während des Gottesdienstes die aus dem Toraschrein zur Verlesung herausgehobenen Torarollen. Die Anordnung von Toraschrein, Bima und Predigtpult auf einer Erhöhung im Osten der Synagoge anstatt im Zentrum entspricht der Anordnung, die in liberalen jüdischen Gemeinden üblich ist, während die Bima in orthodoxen Synagogen für gewöhnlich in der Mitte des Raumes steht. Die Synagoge hat Platz für etwa 110 Gottesdienstbesucher.
Das nach Nordosten an die Synagoge angebaute Gemeindezentrum ist mit ihr durch einen gemeinsamen Eingang verbundenen. In dem einstöckigen Gebäudetrakt sind um einen Innenhof das Rabbinat, der Gemeindesaal, Räume für Unterricht und Jugendarbeit, eine Hausmeisterwohnung und die Mikwe (hebräisch: מִקְוֶה ), das rituelle Tauchbad, untergebracht.
Ein Gedenkstein an der Klosterstraße erinnert an die alte Synagoge, die an der gleichen Stelle stand und die während der Reichspogromnacht am 9. November 1938 niedergebrannt und zerstört wurde. Auch die neue Synagoge war mehrmals das Ziel von Anschlägen. So wurde in der Nacht vom 28. auf den 29. Oktober 1988 versucht Feuer zu legen [Anm. 1].
Literatur
- Paul Spiegel (Redaktion und Gestaltung): Festschrift zur Weihe der neuen Synagoge in Münster / Westfalen : 12. März 1961 ; 24. Adar 5721; hrsg. von der Jüdischen Kultusgemeinde Münster; Düsseldorf-Benrath : Kalima-Dr. 1961
- Elfi Pracht-Jörns: Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-WestfalenWP : 4, Regierungsbezirk Münster; (= Beiträge zu den Bau- und Kunstdenkmälern von Westfalen ; 1,2); Köln : Bachem, 2002; ISBN 3-7616-1397-0 , S. 25 - 32
- Ulrich Knufinke: Neue Synagogen in Deutschland nach 1945; in: Aliza Cohen-Mushlin und Harmen H. Thies (Hrsg.): Synagogenarchitektur in Deutschland : Dokumentation zur Ausstellung „...und ich wurde ihnen zu einem kleinen Heiligtum...“ - Synagogen in Deutschland; Petersberg : Michael Imhof Verlag 2008; ISBN 978-3-86568-344-1; S. 97 - 108 (zu Münster bes. S. 101-102)
- Karl Hagemann: Münster - Stadt der Kirchen : 70 Gotteshäuser und ihre Gemeinden im Porträt; Münster : Aschendorff 1983; ISBN 3-402-05204-0; S. 146 - 147
Weblinks
Einzelnachweise
- [Anm. 1]: Michael Brocke (Hrsg.): Feuer an Dein Heiligtum gelegt : Zerstörte Synagogen 1938 Nordrhein-WestfalenWP; (erarbeitet vom Salomon Ludwig Steinheim-Institut für deutsch-jüdische Geschichte); Bochum : Kamp 1999; ISBN 3-89709-200-X ; S.386