Kosmologisches Trilemma

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Wie alt ist das Universum eigentlich? Die Theorien schwanken von 10 bis 20 Mrd. Jahren und man nimmt heute einen Wert von etwa 14 Mrd. Jahren an. Das ist hinlänglich bekannt. Das führt nun zu folgendem interessanten Paradox: Die weitesten nich sichtbaren Objekte in der Nähe des Ereignishorizonts sind etwa 14 Mrd. Lichtjahre entfernt. Demnach müsste der Urknall direkt am Ende des Universums zu beobachten sein. Das ist aber unmöglich. Wenn das Weltall expandiert, war die Materie zum Zeitpunkt des Urknalls an einem Ort zusammen. Die Lösung des Trilemmas: Wir sehen einen Zustand des Weltalls von vor bis zu 14 Mrd. Jahren. Inzwischen ist das Weltall aber weiter expandiert. Nimmt man an, dass sich Objekte am Rand des sichtbaren Universums mit annähernder Lichtgeschwindigkeit bewegen, so sind sie heute 28 Mrd. Lichtjahre entfernt und das Alter des Weltalls beträgt 28 Mrd. Jahre. Oder man argumentiert umgekehrt: Dann beträgt das Alter der Welt 14 Mrd. Jahre und die weitesten Objekte sind nur 7 Mrd. Lichtjahre von uns entfernt.

Der Sachverhalt sollt an sich klar sein:

1. Das sichtbere Universum dehnt sich mit etwa Lichtgeschwindigkeit aus. 2. Die entferntesten noch sichtbaren Objekte sind 14 Mrd. Lichtjahre entfernt. 3. Das Alter des Universums beträgt 14 Mrd. Jahre.


Und letzteres ist eben ein Widerspruch. Übrigens stellen die drei obigen Sätze tatsächlich ein Trilemma dar. Ich möchte es einmal das "kosmologische Trilemma" nennen. Es können immer nur zwei der Sätze wahr sein. Der dritte Satz ist dann jeweils ausgeschlossen...

Es gibt zunächst drei Lösungen für das kosmologische Trilemma:

Lösung 1 wäre das Szenario der Totalonflation. Dabei bläht sich das Weltall in der ersten Sekunde praktisch bis auf den heutigen Wert auf.

Lösung 2 wäre die sphärische Verkürzung der Distanz des Ereignishorizonts. Das könnte der Fall sein, wenn das Weltall ein gedimmtes ist.

Lösung 3 wäre die Verdopplung des Weltalters. Allerdings sprechen hier einige Tatsachen dagegen.

Lösung 1: Das inflationäre Szenario

Das Horizontproblem

„Wenn wir an zwei beliebigen, räumlich getrennten Gebieten identische physikalische Verhältnisse vorfinden, so mag der Zufall eine Rolle spielen. (…) Die CMBR (Cosmic Microwave Background Radiation) strahlt aus jeder Quadratbogensekunde (das ist etwa ein Tausendstel der Vollmondfläche) mit fast derselben Temperatur und Helligkeit. Einen Zufall können wir in diesem Fall ausschließen, hier ist sicherlich eine systematische Ursache am Werke. Offensichtlich müssen alle Regionen, die heute über Milliarden von Lichtjahren über das ‚Universum verteilt sind, zu irgendeinem Zeitpunkt in der Vergangenheit in Kontakt gestanden haben. Nur dann konnten sich ihre physikalischen Eigenschaften durch den Austausch von Energie einander anpassen. Die Hintergrundstrahlung ist – wie wir noch sehen werden – gleichsam ein Schnappschuss des Universums zu einer Zeit, als seine Größe nur etwa ein Tausendstel der heutigen betrug, also c. 380 000 Jahre nach dem Urknall. So weit, so gut. Nach der Speziellen Relativitätstheorie aber kann sich keinerlei Form von Information schneller ausbreiten, als das Licht. Die Temperaturen und Dichten unterschiedlicher Regionen des Universums können sich bis zu jener Zeit also nur über Distanzen von maximal 2 x 390 000 Lichtjahre ausgebreitet haben. Ein Gebiet solcher Ausdehnung würde aufgrund seiner enormen Entfernung von der Erde auf dem Nachthimmel mit einem Durchmesser von deutlich weniger als einem Grad erscheinen. Wie können wir dann aber verstehen, dass die Isotropie der CMBR sich über den gesamten Himmel erstreckt? Woher bekam die Hintergrundstrahlung aus der Richtung des Himmelsnordpols Informationen über die Intensität und Energie der Strahlung, die aus einer Gegend nahe dem Südpol zu uns kommt? Und das, obwohl beide Regionen offensichtlich nie in Kontakt haben stehen können? Wir nennen den durch die endliche Lichtgeschwindigkeit begrenzten Einflussradius eines Ereignisses auch dessen „Horizont“. Das eben geschilderte Problem wird deshalb Horizontproblem genannt.“ (Helmut Hetznecker: Expansionsgeschichte des Universums, S.63-64)

Die Inflation und das Horizontproblem

„Es bleibt nicht viel Zeit bis zum Einsetzen der explosionsartigen Ausdehnung des Raumes (Inflation), der sich bis dahin aber mit Lichtgeschwindigkeit ausdehnt. So jung das Universum zu jener Zeit auch ist, kann sich durch die hektisch umherschwirrenden Strahlungsquanten doch sehr schnell ein energetischer und thermischer Ausgleich zwischen den verschiedenen Raumelementen einstellen. Beträchtliche Teile des Universums in seiner damaligen Größe standen also – so postulieren wir! – in thermischem Kontakt. Alle Energie, die innerhalb einer solcherart „kausal zusammenhängenden“ Region in Form von Strahlung vorhanden war, konnte sich deswegen gleichmäßig verteilen. Nun, urplötzlich beginnt der Mechanismus der Inflation zu wirken, und alles im Universum – das zu dieser Zeit nicht größer ist als ein Atomkern! -, alles darin beginnt also explosionsartig auseinanderzubersten. Alle 10^-35 Sekunden vervielfacht sich nun der Skalenradius des Universums um einen Faktor e (e ist die Basis des natürlichen Logarithmus und hat etwa den Wert 2,72). Die Geschwindigkeit des Lichtes und jeglicher Information kann hier bei Weitem nicht mithalten, und die bis dahin im thermischen Kontakt stehenden Regionen verlieren sich sozusagen „aus den Augen“. Da die inflationäre Phase vermutlich über einen Zeitraum von 10^-33 Sekunden andauert, wächst der Radius des Universums in etwa hundertmal um einen Faktor 2,72 – dies ergibt sich eben aus der mathematischen Formulierung des inflationären Szenarios. Insgesamt sollte sich der Skalenparameter so in kürzester Zeit im das 10^45-Fache oder mehr vergrößert haben! Natürlich haben alle Regionen, die eben noch in engem Kontakt standen, während der kurzen, aber rasanten Reise ihre spezifischen physikalischen Eigenschaften beibehalten. Jetzt, nach 10^-33 Sekunden, da die Expansion ihren natürlichen Gang weitergeht, finden wir überall im Universum Gebiete, deren räumliche Trennung ihre Horizont-Durchmesser (und somit die Wirkungsradien der ausgleichenden Strahlung) um viele Größenordnungen übersteigt. Die Temperatur der in ihnen enthaltenen Strahlung ist demnach überall dieselbe, aufgrund der gemeinsamen vorinflationären Vergangenheit. Genial, oder?“ (Helmut Hetznecker: Expansionsgeschichte des Universums, S.66-67)

Die Inflation und das Flachheitsproblem

„Wie sehr das Universum von dem Beginn der Inflation gekrümmt und gerunzelt war, wissen wir nicht. Wir brauchen es auch gar nicht zu wissen, denn mit der enormen Ausdehnung des Raumes mindert sich das Maß der intrinsischen Krümmung um ein Gewaltiges. Dies können Sie sich leicht am Beispiel eines Luftballons vorstellen, dessen Oberfläche sich mehr und mehr ebnet, während Sie ihn aufblasen. Das Universum hat sich im den aberwitzigen Faktor 10^40 – 10^50 vergrößert. Wenn, so haben wir oben festgestellt, der gesamte Kosmos vor dem Beginn der Inflation die Größe eines Atomkerns hatte, also 10^-15 m, dann wäre sein Durchmesser kurz darauf gewaltiger, als die heute für uns sichtbare Region des Universums, als unser heutiger Horizont! Seither hatte der Weltraum weitere 13-14 Milliarden Jahre Zeit, sich auszudehnen. Die Entdeckung einer geometrischen Krümmung des Raumes, innerhalb unseres sichtbaren Universums wäre deswegen so abwegig, als würden Sie an der ruhigen Oberfläche Ihrer wassergefüllten Badewanne die Kugelgestalt der Erde erkennen. Wir brauchen uns im täglichen Leben nicht auf die Tatsache einstellen, dass sich unser Leben auf der gekrümmten Oberfläche eines kugelförmigen Planeten abspielt, da der Horizont unserer räumlichen Wahrnehmung auf wenige Kilometer begrenzt ist. In der Kosmologie verhält es sich nicht anders. Die 10-15 Milliarden Lichtjahre, die den Horizont unseres sichtbaren Universums begrenzen, machen nur einen geringen Bruchteil der vermeintlich tatsächlichen Ausdehnung des physikalischen Raumes aus. Wir brauchen uns deswegen keine Sorgen zu machen, dass eine mögliche Krümmung des Raumes die Physik des Universums verkomplizieren könnte.“ (Helmut Hetznecker: Expansionsgeschichte des Universums, S.67-68 )

Lösung 2: Die sphärische Verkürzung der Distanz zum Ereignishorizont

Die zweite Lösung des kosmologischen Trilemmas besteht in der Annahme, dass sich die Distanzen zum Ereignishorizont sphärisch verkürzen. Sie müssten sich dann genau auf die Hälfte verkürzen. Das könnte der Fall sein, wenn das Weltall etwa ein „gedimmtes“ wäre. Dann würden uns die Objekte möglicher Weise um das Doppelte zu weit entfernt erscheinen, weil sie dann lichtschwächer erscheinen, als sie tatsächlich sind

Lösung 3: Die Verdopplung der Weltzeit

Die dritte Lösung des kosmologischen Trilemmas postuliert einfach eine Verdopplung der Weltzeit. Wir sehen Objekt in 13 Mrd. Jahren, und diese Objekte sind auch 13 Mrd. Ly entfernt. Da wir aber nun keine Totalinflation annehmen, sondern das Standardmodell des Urknalls zugrunde legen, müssen wir annehmen, dass bereits 13 Mrd. Jahre vergangen sind, eh die Objekte an dem entfernten Ort waren (bedingt durch die Expansion) wo wir sie heute sehen. Also: erst 13-14 Mrd. Jahre Expansion, dann noch einmal dieselbe Zeit, bis das Licht dieser Objekte bei uns ankommt.