Drei rotierende Quadrate

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Drei rotierende Quadrate ist die Bezeichnung für eine kinetische Plastik des US-amerikanischen Bildhauers George Rickey (*1907 - †2002), die seit 1975 in dem kleinen Park an der Engelenschanze steht.

Die Skulptur - Form und Technik

Tragendes Element der Plastik ist ein etwa 3,45 Meter hohes, im Boden befestigtes Trägerrohr aus Edelstahl von etwa 15 bis 20 cm Durchmesser. An dessen oberem Ende zweigen drei dünnere und kürzere vertikale Rohre ab, die untereinander einen gleichmäßigen Winkelabstand von 120 Grad haben. Jedes dieser vertikalen Rohre trägt ein jeweils ca. 1,15 Meter x 1,15 Meter großes Edelstahlquadrat. Jedes vertikale Trägerrohr ist in den Körper eines Quadrats hinein verlängert, so dass es die Quadratfläche im Verhältnis 1:2 teilt. Die Quadrate sind um die Trägerachsen beweglich. Im Quadratkörper verborgene, genau kalkulierte Gegengewichte sorgen dafür, dass die größeren Teilflächen nicht durch ihre Masse nach unten rotieren, sondern sich immer wieder nach oben ausbalancieren. Streng genommen handelt es sich nicht um rotierende, sondern um pendelnde Quadrate.

Die Pendelbewegungen sind in ihrer Art und in ihrem Verlauf durch die technische Konstruktion der Skulptur vorkonzipiert, ihr aktueller Auslöser ist aber bewusst zufälligen Naturkomponenten überlassen. Schon ein leichter Wind, oder auch der Anflug eines Vogels, etwa einer Taube, löst Bewegungen der Skulptur aus. Wechselnde Licht- und Schattenwirkungen, die durch die Bewegungen der Quadrate im Freien hervorgerufen werden, sind im Konzept der kinetischen Plastik durchaus gewollt.

Die Geschichte der Skulptur

Die Empfehlung der Kunstkommission

1974 empfahl die 1967 ins Leben gerufene Kunstkommission dem Rat der Stadt Münster, zweckgebundene Mittel aus einem Überschuss-Fonds der Stadtsparkasse dazu zu verwenden, eine moderne Skulptur anzukaufen und sie im Stadtbild aufzustellen. Bis dahin war moderne Plastik in der Formensprache des 20. Jahrhunderts nur in Verbindung mit einigen Bauprojekten in der Stadt realisiert worden. Die Wahl der Kunstkommission fiel auf Vorschlag von Klaus Bußmann, dem späteren Direktor des Westfälischen Landesmuseums für Kunst- und Kulturgeschichte auf die kinetische Plastik Drei rotierende Quadrate von George Rickey, die damals im Skulpturengarten der Nationalgalerie in Westberlin ausgestellt war und zum Verkauf stand. Der Preis sollte sich, incl. Transport- und anderer Nebenkosten, auf rund 130.000 DM belaufen.

Reaktionen

Als dieser Plan am 15. November 1974 in der Lokalpresse veröffentlicht wurde, empörten sich zahlreiche Leserbriefschreiber gegen diese Absicht. Vordergründig war es vor allem die Summe von 130.000 DM, die - wiewohl für den Ankauf von Kunstobjekten zweckgebunden - von den Leserbriefschreibern gern anderen Zwecken zugeführt worden wäre. Formulierungen wie "Hoch der infantile Primitivismus! Wer gibt diesen Herren das Recht, die Allgemeinheit mit ihrer Kunstauffassung zu terrorisieren?", "Herr, erleuchte ihren Verstand, denn sie wissen in ihrer Eile und künstlerischen Geschmacksverirrung nicht, was sie tun (...)", "geschmackloses undefinierbares Ding", "wer jetzt noch einen Gedanken an die Anschaffung dieser 'Entarteten Kunst' (...) verschwendet" verraten aber auch eine weit verbreitete grundsätzliche Abneigung gegen eine unverstandene, weil ungewohnte Ästhetik im öffentlichen Raum (alle Zitate bei V. Schemann, pp. 12 ff. (s.Literatur)).

Rickeys Skulptur wurde nicht als Kunstwerk begriffen, sondern bestenfalls als technische Spielerei, die jeder halbwegs geschickte Handwerker "auf einigen Bierdeckeln" entwerfen und für kleines Geld bauen könne. Am 22. November 1974, kurz vor Mitternacht, errichteten Mitglieder eines Kegelclubs aus Angelmodde an der Engelenschanze eine Imitation der Rickey-Quadrate, die sie aus einem alten Heizungsrohr, einigen Stangen und drei Hartfaserplatten, die mit Silberbronze bemalt und mit Cellophanfolie "wetterfest" gemacht worden waren. Die Imitation wurde alsbald wieder abgebaut, zwischengelagert und am Rosenmontagszug 1975 mitgeführt.

Die Proteste führten bei der Mehrheitsfraktion der CDU im Rat zu der Ansicht, man könne "ein solches Werk nicht gegen den Willen der Bürger durchsetzen" (Fraktionsvorsitzender Paul Hüffer, zitiert nach V. Schemann, S.32).

Geschenkt, nicht gekauft

Zu einer Entscheidung des Rats der Stadt über den Ankauf der Drei rotierenden Quadrateist es aber nie gekommen. Statt dessen erhielt die Stadt Münster die kinetische Plastik als Geschenk. Der Direktor der Westdeutschen Landesbank Ludwig Poullain hatte den Rat und die Verwaltungsspitze Münsters zu einem Empfang in den Neubau der Bank auf dem Gelände des alten Zoologischen Gartens an der Himmelreichallee geladen, um sich für die Unterstützung der Stadt bei der Realisierung dieses Neubaus - immerhin hatte der komplette Zoo an den Stadtrand verlagert werden müssen - zu bedanken. Wer bei dieser Zusammenkunft Poullain dazu animierte, der Stadt spontan die umstrittene Rickey-Plastik zu schenken, blieb ungeklärt. Die Proteste und Probleme waren dadurch nicht aus der Welt geschafft, einige Ratsherren verließen "spontan und verärgert die Veranstaltung der Bank" (L. Poullain, nach V. Schemann, p.39), aber die Schenkung blieb bestehen.

Am 30. Juli 1975 wurde die 750 Kilogramm schwere Plastik mit der 3,45 Meter hohen Mittelsäule an der Engelenschanze aufgestellt.Dass George Rickey bei der Aufstellung nicht nur anwesend war, sondern mithalf, erregte Aufsehen bei Passanten und Presse. In den Westfälischen Nachrichten war anderntags zu lesen:

"'Wo ist denn der Künstler? fragte gestern ein Passant und war höchst erstaunt, ihn beim Putzen zu finden : George Rickey (67) scheuerte seine 'rotierenden Quadrate' mit Ata auf Hochglanz. Und wenig später drehten sie sich in viereinhalb Metern Höhe im leichten Wind und blinkten in der Sonne. Münsters erste kinetische Plastik und erste moderne Freiplastik überhaupt hatte ihre Premiere in der Engelenschanze hinter sich."

Die Befürchtungen, die Skulptur könne durch Vandalismus beschädigt werden, erwiesen sich in der Zukunft als unbegründet.

Die Folgen

Auch nach ihrer Aufstellung erregten die drei Quadrate die Gemüter. Während aber die Proteste in den Leserbriefspalten sich allmählich mit dem Faktum der Skulptur an der Engelenschanze abfinden mussten, sahen sich die Befürworter der Plastik um Klaus Bußmann durch die Auseinandersetzungen veranlasst, ja geradezu genötigt, den Münsteranern "Nachhilfeunterricht in Sachen moderner Kunst zu erteilen" (V. Schemann, S. 46). Sie planten eine drei Monate dauernde Ausstellung moderner Kunst in Münster, die im Westfälischen Landesmuseum die "klassische Moderne" (Picasso, Chillida, Moore u. a.) zeigen sollte. In einem weiteren "autonomen" Bereich im Schlossgarten sollten sich moderne Skulpturen präsentieren, die nicht für einen bestimmten Standort konzipiert waren und die von Künstlern der klassischen Moderne, aber auch der jüngeren Künstlergeneration stammten. Ein Projekt-Bereich sollte als Drittes, im gesamten Stadtgebiet verteilt, zehn eingeladenen Künstlern die Möglichkeit geben, Skulpturen für eine ganz bestimmte topographische Situation zu gestalten.

Das Ergebnis der Planungen zu diesem "Nachhilfe-Unterricht" war die Ausstellung "Skulptur '77", die in Skulptur-Projekten der Jahre 1987, 1997 und 2007 viel beachtete Nachfolger fand.

Literatur

  • Klössel, Barbara; Moderne kunst in Münster, Münster : F. Coppenrath Verlag 1986, ISBN 3-88547-414-X; S.36-37
  • Schemann, Vera; Wie die Münsteraner ihren Rickey lieben lernten...:Proteste gegen moderne Kunst in Münster und ihre Folgen (Ein Beitrag zum Schülerwettbewerb Deutsche Geschichte 1998/99 mit dem Thema "Protest - Aufbegehren, Handeln, Verändern") ; Hamburg : Körber Stiftung 1999

Weblinks

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