Albert Derichsweiler

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Albert Derichsweiler als Reichstagsabgeordneter (1936). Quelle: E. Kienast (Hg.): Der Deutsche Reichstag 1936, III. Wahlperiode. R. v. Decker´s Verlag, G. Schenck, Berlin 1936

Albert Derichsweiler (* 6. Juli 1909 in Bad Niederbronn / Niederbronn-les-Bains (Elsass); † 6. Januar 1997 in München) war ein nationalsozialistischerWP Studentenführer an der WWU, NSWP-Funktionär und später Politiker der Deutschen Partei und der FDP. In Münster trat er im Mai 1933 als maßgeblicher Organisator der Bücherverbrennung vor dem Schloss hervor.

Kindheit und Jugend

Albert Derichsweiler wurde als Sohn des Rechtsanwalts und Notars Max Derichsweiler und seiner Frau Maria Derichsweiler im Elsass geboren. Seine Eltern zogen nach dem „Ersten WeltkriegWP“ mit ihm nach Konstanz, sein Vater, ein „Baltikumkämpfer“ wurde 1921 Regierungsrat in Essen und Albert besuchte dort das Burggymnasium. Nachdem Derichsweilers Vater 1923 bei der Besetzung des Ruhrgebiets durch belgische und französische Truppen aus Essen ausgewiesen worden war, lebte die Familie bis 1925 in Heidelberg.

1931 legte Albert Derichsweiler am Realgymnasium in Essen-Werden das Abitur ab und begann im Sommersemester 1931 ein Jurastudium an der Universität in Bonn, um sie väterliche Kanzlei übernehmen zu können. Der Vater hatte eine Anwaltskanzlei eröffnet, nachdem er wegen seiner Verbindungen zur NSDAPWP aus dem Staatsdienst entlassen worden war. 1931 bis 1937 studierte er Rechtswissenschaft in Bonn, Münster und Köln und trat bereits in seinem ersten Bonner Semester in den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDStB) ein. Albert Derichsweiler war bereits 1929 dem „Nationalsozialistischen Schülerbund“ beigetreten und seit 1930 NSDAPWP-Mitglied.

NS-Studenten-Funktionär und Korporationsstudent in Münster

Zum Wintersemester 1931/32 wechselte Derichsweiler von Bonn an die WWU nach Münster. Dort trat er der Katholischen Deutschen Studentenverbindung Sauerlandia im CV bei und begann eine Karriere sowohl innerhalb der NSDAPWP als auch im Kreis der katholisch orientierten Korporiertenvereinigung. Die Rolle als „Doppelfunktionär“ war nach beiden Seiten hin konfliktträchtig.

Bereits im ersten Semester in der „Allgemeinen Studentischen Arbeitsgemeinschaft“ (A. St. A. G.) aktiv, wurde er mit dem Machtantritt der NationalsozialistenWP 1933 „Hochschulgruppenführer“ des (NSDStB) an der WWU. Da dort seit 1927 keine allgemeine Studentenvertretung mehr existierte, lag im Aufbau einer solchen Vertretung die Chance, den NSDStB und die NSDAPWP bei den Studenten zu propagieren. Diesem Ziel diente auch die im Mai 1933 von der Deutschen Studentenschaft und dem NSDStB durchgeführte Bücherverbrennung, die Derichsweiler maßgeblich mitorganisierte und die er in Münster bei der Stadtkanzlei anmeldete. Bei der Bücherverbrennung vor dem Schloss trat er auch selbst als Redner in Erscheinung. Im NSDStB machte Derichsweiler schnell Karriere: im Herbst 1933 wurde er „Kreisführer“ des NSDStB und der Deutschen Studentenschaft für Westdeutschland, im August 1934 wurde er von Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß nach München gerufen und erhielt - nach eigener Aussage - „den Auftrag, den NSDStB neu zu bilden und zur Führerorganisation und zum tragenden Element der weltanschaulichen und körperlichen Erziehung der studentischen Jugend zu machen."[Anm. 1].

Seine gleichzeitige Mitgliedschaft in der katholischen Verbindung K. D. St. V. Sauerlandia diente dem Ziel, die studentischen Korporationen und Verbände der nationalsozialistischen Bewegung anzunähern und sie, nachdem die NSDAPWP Anfang 1933 die Macht übernommen hatte, zu integrieren und gleichzuschalten. Diesem Ziel stand nun ein Unvereinbarkeitsbeschluss des Cartell-Verbands der katholischen deutschen Studentenverbindungen (CV) entgegen, der auf seiner 61. Versammlung im Sommer 1932 die gleichzeitige Mitgliedschaft im CV und in einer NS-Organisation ausschloss. Derichsweiler war heftig gegen den Antrag aufgetreten, diesen Beschluss seitens des CV zu fassen, und geriet wegen seiner Beziehung zum damaligen Geschäftsführer des NSDStB, Hans Hildebrand, in den Verdacht, vertrauliche Beratungsergebnisse des Cartell-Verbands an die NSDAPWP-Zentrale im „Braunen Haus“ in München weitergegeben zu haben. 1933 geriet allerdings der Unvereinbarkeitsbeschluss des CV gegenüber den nationalsozialistischen Organisationen ins Wanken. Derichsweiler war insofern an diesem Umschwung beteiligt, als die Münsteraner Korporationen unter seiner Führung einer Grußadresse an die neue Reichsregierung unter Adolf Hitler ihre Zustimmung gaben. Am 6. Juli 1933 wurde Derichsweiler auf einer CV-Versammlung zum Führer des CV bestimmt, wurde jedoch nur dessen Stabsleiter, da die Führung des NSDStB ihn weiterhin vor allem für die eigene Organisation verwenden wollte. Immerhin erreichte er, dass am 11. Juli 1933 das „Führerprinzip“ für den Cartell-Verband ausgerufen wurde und dass der österreichische Bundeskanzler und Begründer des klerikal ausgerichteten „Austrofaschismus“ Engelbert Dollfuß (ermordet am 25. Juli 1934) und seine Minister als „reichsfeindliche“ und „antideutsche“ Politiker aus dem CV ausgeschlossen wurden.

Derichsweiler hatte den Vorsitz einer Zusammenkunft von Reichsleitung und Stab des CV am 7. und 8. Oktober 1933 in Heidelberg. Hier konnte er den CV weiter auf nationalsozialistische Prinzipien ausrichten. Die angenommene „Heidelberger Verfassung“ des CV zentralisierte alle Gliederungen des Verbandes von oben nach unten, etablierte das „Führerprinzip“ mit einem befehlenden Führer und der zu Gehorsam verpflichteten „Gefolgschaft“ und schloss jüdische Universitätsangehörige nach dem „Arierprinzip“ aus. Anfang 1934 wurde auch das „Konfessionsprinzip“ aufgegeben, das die Bindung der Mitglieder des CV an die katholische Kirche vorsah. In der Auseinandersetzung innerhalb des Cartell-Verbands um die Mensur- und Duellpflicht der korporierten Studenten konnte sich Derichsweiler allerdings nicht durchsetzen. Er agitierte seit Februar 1934 für die „Paukerei“ mit Waffen und stellte sich damit gegen die Tradition des CV, der auch in der „Heidelberger Verfassung“ den Zweikampf abgelehnt hatte. Der Versuch, seine Position autoritär und eigenmächtig durchzudrücken - Diskussionsverbot, Verlegung der Cartellversammlung vom 14. / 15. April 1934 von Bonn nach Münster - führten auf dieser Versammlung nur zu heftigeren Diskussionen. Derichsweiler spitzte am zweiten Versammlungstag die Debatte zu, indem er den Verbandsführern drei Fragen vorlegte, um sie auf die von ihm vertretene Ausrichtung des Verbands auf den Nationalsozialismus zu verpflichten:

  • Verpflichtest Du Dich für Hitlers Staat und Bewegung?
  • Verpflichtest Du Dich für die nationalsozialistische Erziehung?
  • Verpflichtest Du Dich für die Aufhebung der konfessionellen Begrenzung und die Satisfaktion? [Anm. 2]

Die Führer des CV lehnten diese Verpflichtung ab und Derichsweiler nahm seine „Belastung“ als „Kreisführer“ der Deutschen Studentenschaft und des NSDStB in Westdeutschland zum Vorwand um am 1. Juni 1934 als Stabsleiter des CV zurückzutreten. Elf Monate später, am 3. Mai 1935, wurde er auf seinen Wunsch hin von der „Sauerlandia“ freundschaftlich entlassen [Anm. 3].

"Reichsführer“ des NSDStB (1934 - 1936)

Albert Derichsweiler (links) als NSDStB-Führer 1934 bei einer Kundgebung an der Berliner Universität. In der Mitte der Rektor Eugen Fischer, rechts Prof. Bachér. Quelle: Deutsches Bundesarchiv, Bild 183-1998-0817-502

Mit der Entmachtung der SA im sogenannten „Röhm-Putsch“ im Juni / Juli 1934 konkurrierten an den Hochschulen nur noch zwei nationalsozialistisch ausgerichtete Organisationen: die staatliche Deutsche Studentenschaft (DSt), die dem Reichserziehungsminister Bernhard Rust unterstand, und der NSDStB unter dem Befehl von Hitler-Stellverteter Rudolf Heß. Eine Kompromisslösung vom Juli 1934 sah zunächst vor, dass der ehemalige Hamburger NSDStB-Hochschulgruppenführer Andreas Feickert die Führung der DSt übernahm und Derichsweiler „Reichsführer“ des NSDStB wurde; beide wurden jeweils Stellvertreter des Anderen. Der Widerstand der Korporationen und ihrer „Alten Herren“ gegen einen Plan Feickerts, die Studenten während der ersten drei Semester zur gemeinsamen Unterkunft in „Kameradschaftshäusern“ zu verpflichten, führte am 11. November zur persönlichen Intervention Adolf Hitlers, der homosexuelle Aktivitäten in solchen Häusern fürchtete. Drei Tage später wurde dem NSDStB und seinem „Reichsführer“ Derichsweiler die Führung der gesamten studentischen Erziehung übertragen.

Derichsweiler hatte dabei drei Aufgaben. Als erstes wollte und sollte er den NSDStB straffen und Umbau zu einer nationalsozialistischen Eliteorganisation umbauen. Eng damit verbunden war die Gleichschaltung der Deutschen Studentenschaft, deren Führer bereits weitgehend dem NSDStB angehörten, um die Doppelung der nationalsozialistisch ausgerichteten und gelenkten Organisationen an den Hochschulen zu beenden. Die dritte Aufgabe erwies sich als heikler. Er betrieb eine Strategie, die studentischen Korporationen entweder aufzulösen, indem sie in den NSDStB eingegliedert wurden, oder sie daduch „auszutrocknen“, dass neu immatrikulierte Studenten vor die Alternative gestellt wurden, entweder dem NSDStB oder einer Korporation beizutreten. Diese Strategie erwies sich vordergründig als durchaus erfolgreich. Am 27. Oktober 1935 löste sich der Cartellverband (CV) auf seiner 63. Generalversammlung in Würzburg auf, weitere Studentenverbände folgten diesem Beispiel. Die einzelnen Korporationen existierten fort. Das Ende der Verbindungen war aber besiegelt, als am 14. Mai 1936 Rudolf Heß allen NSDAPWP-Mitgliedern die gleichzeitige Mitgliedschaft in der Partei und einer Korporation verbot.

Das verfolgte Ziel, die Gleichschaltung des studentischen Lebens unter nationalsozialistischer einheitlicher Führung, wurde organisatorisch durchgesetzt. Allerdings führten die dazu ergriffenen Maßnahmen und Derichsweilers ungeschicktes, auf den Ausbau der eigenen Machtbasis konzentriertes Vorgehen dazu, dass das Prestige des NSDStB und damit der NSDAPWP an den Hochschulen litt. Nicht nur die über 70.000 studentischen Verbindungsmitglieder sahen sich von den Gleichschaltungsmaßnahmen betroffen. Den Verbindungen gehörten rund 175.000 „Alten Herren“ an, die zumeist einflussreiche Positionen im Staat, in der Gesellschaft und nicht zuletzt in der Partei selbst einnahmen. Das Ansehen der Partei war durch Derichsweilers Vorgehen in dem akademisch geprägten, bildungsbürgerlichen Milieu schwer belastet. Reichspropagandaminister Joseph Goebbels sah es so: „Das hat Derichsweiler alles versaut." [Anm. 4]. Anfang November 1936 war Derichsweiler gezwungen, sein Amt aufzugeben [Anm. 5].

NS-Karriere in der DAF, im „Osteinsatz“ und in der SSWP

Derichsweiler wurde in Münster promoviert. Das Thema seiner Arbeit war Die rechtsgeschichtliche Entwicklung des deutschen Studententums von seinen Anfängen bis zur Gegenwart. Er wurde Mitglied des pro forma noch bestehenden Reichstags (1936 - 1938) und betätigte sich als Amtsleiter der Reichsleitung und Propagansredner für die NSDAPWP. Nach dem Scheitern als Hochschulpolitiker wechselte er zur Deutschen Arbeitsfront (DAF) nach München und wurde dort 1938 stellvertretender Geschäftsführer des Zentralbüros der DAF. Nach dem Beginn des „Zweiten WeltkriegsWP“ wurde er Gauobmann für den annektierten Reichsgau Wartheland der DAF in Posen. Hier war er für die rücksichtslose Ausbeutung der polnischen Arbeiter und Arbeiterinnen und für die Umsiedlungspolitik in den dem Reich unmittelbar angegliederten Teilen Polens verantwortlich. Bis Ende Februar 1940 sollten alle Juden und alle aus „Kongresspolen“ stammenden Personen - etwa 1 Million Menschen - in das sogenannte „Generalgouvernement“ vertrieben werden. Insgesamt sollten von der Umsiedlung etwa sechs bis acht Millionen Menschen betroffen werden. In die dem Reich zugeschlagenen Gebiete Polens sollten umgekehrt etwa 150.000 Deutsche aus dem „Generalgouvernement“ angesiedelt werden. Ab 1939 leitete Derichsweiler in Posen den „Stab für die örtliche und berufliche Unterbringung der Balten- und Wolhyniendeutschen". Ihnen versprach Derichsweiler

Einrichtungen, die die Voraussetzungen für ein schaffensfrohes und glückliches Leben sind: Ordentliche Arbeitsstätten, nationalsozialistische Freizeitgestaltung und deutsche Wohnheime. Schlechthin die Voraussetzung der Verdeutschung dieser Landstriche ist die Errichtung eines deutschen Lebensraums nach nationalsozialistischen Grundsätzen. [Anm. 6]

Die Vision paradiesischer Verhältnisse für deutsche Ansiedler in den von Juden und Polen brutal „gesäuberten“ Gebieten blieben im Kriegsverlauf Traum- und Wunschbilder. Kurzzeitig war Derichsweiler 1943 Präsident der „Gauarbeitskammer“ im Warthegau. Nachdem im Februar 1943 die Kapitulation der deutschen Truppen vor Stalingrad die Kriegswende gebracht hatte, wurde er im April 1943 Soldat der Waffen-SS. Er trat 1944 in die SS ein und erreichte bis Kriegsende den Rang eines SS-Obersturmführers.

Nachkriegskarriere

Bis zum Erlass des „Straffreiheitsgesetzes“ vom 31. Dezember 1949 [Anm. 7] lebte Derichsweiler verdeckt und arbeitete als Handelsvertreter. Danach engagierte er sich in der national-konservativen Deutschen Partei (DP), die 1945 als rechte Sammlungsbewegung unter dem Namen Niedersächsische Landespartei gegründet worden war. Seit 1951 war Derichsweiler Funktionär dieser Partei. Er rückte 1952 in den Landesvorsitz des 1951 gegründeten Landesverbands Hessen der Partei auf. Im gleichen Jahr wurde er für die in den Stadtrat von Frankfurt am Main gewählt. Im Juli 1953 trat er aus der DP aus und wechselte im August 1953 zur Freien Demokratischen Partei (FDP). Er gehörte innerhalb dieser Partei zum „Naumann-Kreis“, der als Sammelbecken ehemaliger nationalsozialistischer Funktionäre die FDP auf einen Rechtskurs orientierte. Als der FDP-Landesvorsitzende Hans-Martin Euler sein Landtagsmandat niederlegte, rückte Derichsweiler am 12. Januar 1955 in den Hessischen Landtag nach. Am 2. Mai 1956 verließ er die Fraktion und gründete in Bochum die FDP-Abspaltung Freie Volkspartei (FVP) mit, deren Bundesgeschäftsführer er wurde. 1957 schloss sich die FVP mit der DP, die Derichsweiler 1953 verlassen hatte, zusammen. Er wurde nun erneut hessischer Landesvorsitzender Der DP, zog sich aber 1959 von der politischen Betätigung zurück.

1960 gründete er eine Firma für Modellbau und engagierte sich später mit dem Münchener Industriellen Ludwig Bölkow in der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie. Derichsweiler starb am 6. Januar 1997 in München.

Anmerkungen und Einzelnachweise

Literatur

  • Albert Derichsweiler, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung des deutschen Studententums von seinen Anfängen bis zur Gegenwart; Münster : WWU, Rechts- u. Staatswiss. Fakultät, Diss., 1937 (gedruckt 1938)
  • Sebastian Felz, Albert Derichsweiler (1909 - 1997) - Die Karriere eines Brandstifters, in: Anja Gussek, Daniel Schmidt, Christoph Spieker, Öffentliche Zensur und Bücherverbrennnung in Münster. Eine Dokumentation herausgegeben aus Anlass der Enthüllung einer Gedenktafel am 6. Mai 2009, Münster : Villa ten Hompel 2009, S. 21 - 37
  • Peter Stitz, Der CV 1919 - 1938. Der hochschulpolitische Weg des Cartellverbandes der katholischen deutschen Studentenverbindungen (CV) vom Ende des „Erster WeltkriegesWP“ bis zur Vernichtung durch den Nationalsozialismus; München : Seitz & Höfling 1970 (Reihe: Der weiße Turm, Bd.4)

[[Kategorie:Politiker (FDP)|Derichsweiler, Albert]]