Clemens von Ketteler

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Clemens von Ketteler (unbekannter Fotograf, vor 1900, Quelle: Marina Warner: Die Kaiserin auf dem Drachenthron. Ploetz, 1974)

Clemens August Freiherr von Ketteler (auch Klemens Freiherr von Ketteler ; * 22. November 1853 in Potsdam - † 20. Juni 1900 in Peking) war ein deutscher Diplomat. Er wuchs in Münster auf. 1900 wurde er als Botschafter des Deutschen Reiches während des "Boxeraufstandes" der chinesischen Nationalbewegung in Peking erschossen. Kaiser Wilhelm II. nutzte das Attentat auf von Ketteler als Rechtfertigung für die blutige Niederschlagung des Boxeraufstandes durch deutsche Truppen. Heute erinnert ein Obelisk im Schlossgarten an von Ketteler. Er ist auf dem Zentralfriedhof begraben.

Biographie

Clemens August von Ketteler wurde am 22. November 1853 als Sohn von Cäcilie von Luck und Witten und August Joseph von Ketteler in Potsdam in eine preußische Offiziersfamilie geboren. Der Vater starb vor der Geburt seines Sohnes und die Mutter zog mit ihren Kindern nach Münster. Clemens August von Ketteler stammte aus einer weit verzweigten westfälischen Adelsfamilie. Der Mainzer Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler war sein Onkel, der Diplomat Wilhelm Freiherr von Ketteler sein Neffe. Der französische Marschall Louis Franchet d'Espèrey (1856 - 1942), der an der Militärexpedition gegen die chinesischen Boxer im Jahr 1900 teilnahm, war ein Cousin von Kettelers. Clemens August von Ketteler heiratete die US-Amerikanerin Matilda Cass Ledyard, die gemeinsame Vorfahren mit den späteren US-Präsidenten George Bush und George W. Bush hatte. [Anm. 1]

Seine Schulzeit verbrachte Clemens von Ketteler zunächst am Paulinum und später am Gymnasium Coesfeld. 1873 bestand er das Abitur und schlug dann zunächst eine militärische Karriere ein. 1879 trat er in den Auswärtigen Dienst ein arbeitete zwischen 1880 und 1889 in Kanton und Tientsin. 1892 - 1896 war von Ketteler Gesandter des Deutschen Reiches in Washington, von 1896 bis 1899 in Mexiko. 1899 wurde er zum deutschen Botschafter von Peking ernannt. Am 20. Juni 1900 wurde von Ketteler in Peking erschossen.

Spuren in der Geschichte

Boxeraufstand

Die Boxer waren ein chinesischer Geheimbund, der für die nationale Unabhängigkeit Chinas und gegen die westlichen Besatzungsmächte kämpfte.

Ermordung von Kettelers

Auszug aus dem Augenzeugenbericht des Dolmetschers der deutschen Botschaft in Peking, Heinrich Cordes: Als ich den Blick von ihm [einem Karren] wieder auf die 3 Schritte vor mir getragene Sänfte des Herrn Gesandten richtete, sah ich ein Bild, welches mein Blut eine Sekunde zum Stocken brachte: Links neben der Sänfte, welche soeben die Polizeistation nördlich des genannten Pailon passiert hatte, stand wie aus der Erde gewachsen ein Bannersoldat (augenscheinlich ein Mandschu) in voller Uniform, Mütze mit rotem Rangknopf und blauer Feder, in Anschlagstellung, die Gewehrmündung kaum einen Meter von dem Seitenfenster der Sänfte entfernt, genau da, wo sich der Kopf de Herrn von Ketteler befinden müßte - ich rief entsetzt 'halt' - in demselben Augenblick krachte der Schuß - die Sänften wurden hingeworfen. (In: AAA [Archiv des Auswärtigen Amtes], Personalakte von Ketteler Vol. 3, Nr. 70.)

Vergeltung

Der deutsche Kaiser nutzte die Ermordung von Kettelers und die Meldung über ein angebliches Massaker an allen Botschaftsangehörigen in Peking als Rechtfertigung für die Entsendung von 30.000 Soldaten nach China. Bei der Verabschiedung der Truppen hielt Kaiser Wilhelm II. die sogenannte "Hunnenrede": "[...] Pardon wird nicht gegeben, Gefangene werden nicht gemacht. Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter König Etzel sich einen Namen gemacht haben, der sie noch jetzt in Überlieferung und Märchen gewaltig erscheinen läßt, so muß der Name "Deutscher" in China auf tausend Jahre durch Euch in einer Weise bestätigt werden, daß niemals wieder ein Chinese es wagt, einen Deutschen auch nur scheel anzusehen." (nach: Kieser, Egbert: Als China erwachte).

Spuren in Münster

Denkmal im Schlossgarten

Nach seinem Tod sollte von Ketteler zum Märtyrer des deutschen Imperialismus mythisiert werden. Auf nationaler Ebene bildete sich ein Komitee, das den Bau eines Ehrengrabes für Ketteler plante. Gebaut werden sollte in Münster. Der Bildhauer Hermann Hidding aus Berlin erhielt den Auftrag, Vorschläge für ein Denkmal im Schloßgarten auszuarbeiten. In seinem ersten Entwurf skizzierte Hidding eine monumentale nationale Weihestätte. In Anlehnung an altgermanische Hünengräber wollte er einen Grabhügel aufschütten, in dem der Totenkult zelebriert werden konnte. Auf dem Hügel sollte das eigentliche Denkmal, ein über 17 Meter hoher Obelisk mit Statue des Heiligen Michaels, gebaut werden.

Der Kaiser genehmigte diesen Plan, ohne allerdings die Kosten dafür übernehmen zu wollen. So war das Denkmal-Komitee darauf angewiesen, das Projekt mit Hilfe von Spenden zu verwirklichen. Es folgte eine internationale Werbekampagne: Es wurde nicht nur in Deutschland, sondern auch in Ländern und Städten, in denen Ketteler gearbeitet hatte, geworben. In ihren Spendenaufrufen appellierte das Denkmal-Komitee an das Nationalgefühl der Deutschen. Für den Plan Hiddings benötigte man 30.000 Reichsmark. Das Nationalgefühl der Deutschen war jedoch weniger stark ausgeprägt als erhofft: nach 3 Jahren hatte das Komitee gerade mal 2.000 Reichsmark gesammelt: genug Geld für einen schlichten und bescheidenen Obelisken. Dieser wurde am 25. Oktober 1903 im Schlossgarten enthüllt und ist dort immer noch zu sehen.

Straße im Kreuzviertel

Im selben Jahr wurde die just im Ausbau befindliche neue Zuwegung des Schlachthofs von Westen nach von Ketteler ihm benannt. Die Kettelerstraße verläuft zwischen Kanalstraße und Coerdestraße. In jener nationalistisch aufgeputschten Situation erhielt ausnahmsweise ein evangelischer "Märtyrer" den Vorzug vor einem katholischen Bischof, seinem Onkel Wilhelm Emanuel von Ketteler, nach dem erst 1954 der Ketteler-Ort in Gremmendorf benannt werden sollte.

Grab auf dem Zentralfriedhof

Am 10. August 1900 wurde Clemens von Ketteler auf dem Zentralfriedhof in Münster neben dem großen Kreuz beerdigt. Auf seiner Grabtafel ist seit mehr als 100 Jahren ein falscher Geburtsort verzeichnet (Münster statt Potsdam).

Anmerkungen

  • [Anm.1] : [[1]]

Literatur

  • Fischer, Per: Clemens von Ketteler - ein Lebensbild aus amtlichen und privaten deutschen Quellen, in: Kuo, Heng-yü / Leutner, Mechthild (Hrsg.); Deutschland und China : Beiträge des Zweiten Internationalen Symposiums zur Geschichte der Deutsch-Chinesischen Beziehungen, Berlin 1991, München : Minerva-Publ. 1994; ISBN 3-597-10617-X
  • Kieser, Egbert; Als China erwachte : Der Boxeraufstand; Esslingen (u.a.) : Bechtle 1984; ISBN 3-7628-0435-4
  • Kuß, Susanne (Hrsg.); Das Deutsche Reich und der Boxeraufstand; München : Iudicium-Verlag 2002; (Erfurter Reihe zur Geschichte Asiens / Bd.2); ISBN 3-89129-781-5
  • Langenscheid, Birgit und Viktoria von Schönfeldt: "Märtyrer des deutschen Imperialismus" : Das Ketteler-Denkmal im Schloßgarten in Münster; in: Avenwedde, Heinrich und Eggert, Heinz-Ulrich (Hrsg.): Denkmäler in Münster. Auf Entdeckungsreise in die Vergangenheit. Münster 1996, S. 247-314.